Interview

»Israel muss auf die Gemeinden zugehen«

Herr Stein, kommenden Dienstag feiert Israel seinen Unabhängigkeitstag. Wie steht es um das Verhältnis der Juden in Deutschland zum jüdischen Staat?
Insgesamt würde ich es als gut bezeichnen. Die Beziehungen haben sich über die Jahre hinweg zum Besseren gewandelt. Die Haltung Israels zur jüdischen Gemeinschaft in Deutschland war anfangs nicht sonderlich positiv. Das hatte noch mit der Frage zu tun, was Juden nach der Schoa überhaupt in Deutschland zu suchen haben. Die Wende fand 2002 statt, als Staatspräsident Moshe Katsav mit Bundespräsident Johannes Rau an der Einweihung der Wuppertaler Synagoge teilnahm und damit auch die Anwesenheit der jüdischen Gemeinde in Deutschland legitimierte.

Inzwischen wird in Israel nicht mehr nur von Alija, sondern von der Förderung jüdischer Identität in der Diaspora gesprochen. Ist das eine Akzentverschiebung?
Dies sollte nicht missverstanden werden. Der zionistische Staat hat eines seiner Hauptziele – die Förderung der Einwanderung – nicht aufgegeben. Dennoch ist es sehr wichtig, dass die Diaspora ihre jüdische Identität behält, wie auch immer man sie definiert. Ich war stets der Meinung, dass es ohne jüdische Identität keine Verbindung zu Israel gibt. Und die muss gestärkt werden.

In Ihrer Amtszeit hatte man den Eindruck, Sie wären der Auffassung, alle Juden gehörten nach Israel. Auch und vor allem die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Hat sich Ihre Meinung geändert?
Ein Botschafter repräsentiert den Staat, nicht die Haltung eines Einzelnen. Als Amtsträger habe ich es so verstanden, dass uns daran gelegen sein musste, die Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel zu bringen. Und, so glaube ich, kam es auch zu gewissen Reibungen zwischen Israel und der Bundesrepublik, wie auch zwischen Israel und einigen jüdischen Organisationen und Gemeinden. Es ist verständlich, dass die jüdischen Gemeinden damals die Zuwanderung aus ihrer Perspektive als Riesenpotenzial erkannten, jüdisches Leben in Deutschland wieder zu bele- ben. Als Repräsentant des Staates war es meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass Israel der richtige Ort für Juden ist.

Und Ihre persönliche Meinung?
Wenn Israel nicht genügend Anziehungskraft besitzt, muss es sich bemühen, diese zu gewinnen. Damit Juden, die zu uns kommen sollten, sich nicht anders entscheiden.

Wie kann und soll man die Beziehungen zu Israel intensivieren?
It takes two to tango. Der Staat Israel kann sich enorm anstrengen. Aber wenn man Juden begegnet, die nicht zionistisch sind, keinen großen Wert auf Kontakt mit dem Staat legen, der sich als Zentrum jüdischen Lebens in der Welt sieht, dann wird es kaum zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen können. Auf jeden Fall sollten wir auf die Gemeinden zugehen, in den Dialog eintreten. An dieser Verbindung müssen wir jeden Tag neu arbeiten.

Mit dem ehemaligen israelischen Botschafter sprach Detlef David Kauschke.

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza, und das auch noch, ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  18.05.2025

Basel

Farbanschlag auf Yuval Raphael vereitelt

Crew-Mitglied des ESC wurde von Farbe getroffen

 18.05.2025

Nahost

Militärexperte: Vorgehen in Gaza führt zu Erstarken des islamistischen Terrors

Carlo Masala warnt vor einer Erhöhung des Konfliktpotenzials in der Region

 17.05.2025

Karin Prien

»Insofern bin ich eine jüdische Ministerin«

Die neue Bildungs- und Familienministerin will ihren Familienhintergrund auch in ihre Arbeit einbringen

 17.05.2025

Berlin

Weimer kritisiert Drohungen gegen Israel beim ESC

Israel gänzlich vom ESC auszuschließen, ist »das Allerletzte« sagt der Kulturstaatsminister

 17.05.2025

Nahost-Diplomatie

Medien: Syrien und Israel führen indirekte Gespräche. Trump: »Al-Sharaa ist ein starker Typ«

Der US-Präsident forciert bei seinem Nahostbesuch die Idee weiterer Abraham-Abkommen mit Israel - auch Syrien soll Interesse signalisiert haben

 16.05.2025

Justiz

Ankläger von Weltstrafgericht tritt zurück

Chefankläger Karim Khan wird des sexuellen Missbrauchs beschuldigt

 16.05.2025

Interview

»Es hätte viel kürzer und klarer sein müssen«

Peter Neumann über das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes, die internationale Debatte darüber und ein mögliches Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei

von Nils Kottmann  16.05.2025

Gedenken

Sinti und Roma erinnern an Widerstand in Auschwitz-Birkenau

An diesem Tag sollte der Lagerabschnitt B II e, das sogenannte »Zigeunerlager«, in dem Tausende von Sinti und Roma inhaftiert waren, aufgelöst und sämtliche Häftlinge in den Gaskammern ermordet werden

 16.05.2025