Einspruch

Im Sprengel lebt das Alte noch

Rabbiner Andreas Nachama fordert, den christlich-jüdischen Dialog nicht den Kirchen zu überlassen

 08.08.2019 07:14 Uhr

Rabbiner Andreas Nachama Foto: Rolf Walter/xpress.berlin

Rabbiner Andreas Nachama fordert, den christlich-jüdischen Dialog nicht den Kirchen zu überlassen

 08.08.2019 07:14 Uhr

Der Sprengelbischof der Nordkirche, zuständig für Mecklenburg und Pommern, Hans-Jürgen Abromeit, hat am vergangenen Donnerstag frei von der Leber weg gesprochen: Er bemängelt das »Schuldbewusstsein der Deutschen infolge des Holocaust«, das zu einer »Über­identifikation mit dem Staat Israel« geführt habe, und bedauerte, dass Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson zählt.

Dass er damit in einer alten protestantischen Tradition steht, ist keine Frage. Nun könnte man sich beruhigen, weil wahrscheinlich jeder Superintendent in Berlin mehr Schäfchen pastoral betreut als jener Bischof.

zionismus Gleichwohl sind seine theologisch verbrämten Aussagen unhaltbar, wenn er etwa behauptet, dem Zionismus des 19. Jahrhunderts sei es »nicht um Religiöses gegangen, sondern um homogene Siedlungsgebiete für Juden«; hingegen sei eine »Benachteiligung der Palästinenser« logische Folge eines jüdischen Nationalismus.

Abromeits Kirche verlautbart nun aufgeschreckt, es sei nur eine »persönliche Meinungsäußerung«, die gleichwohl »völlig unangemessen« sei.

Abromeits Kirche verlautbart nun aufgeschreckt, es sei nur eine »persönliche Meinungsäußerung«, die gleichwohl »völlig unangemessen« sei. So kennen wir das auch aus politischen Zusammenhängen: Skandalöse Behauptungen gelten ja gerne als bloß private Wortmeldungen.

koordinierungsrat Im Herbst wird der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die erste große Bürgerinitiative Nachkriegsdeutschlands, sein 70. Jubiläum feiern. Viele dachten nach den Erklärungen der EKD und des Vatikans, die Aufgabe der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit habe sich erledigt.

Aber Äußerungen des emeritierten Papstes Benedikt oder eines Sprengelbischofs belegen, dass man den christlich-jüdischen Dialog nicht den Kirchen überlassen darf. Die judenfeindlichen Äußerungen kommen von Amtsträgern, die dort weitermachen, wo viele glaubten, man habe nach der Schoa neu begonnen.

Der Autor ist Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz und jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

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