Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat am Dienstag den Ignatz-Bubis-Preis 2016 der Stadt Frankfurt am Main erhalten. Der Kandidat für das Bundespräsidentenamt warb in der Paulskirche für eine Stärkung der Demokratie gegen populistische Kräfte.
Der nach dem früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, Ignatz Bubis (1927–1999), benannte Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird seit 2001 alle drei Jahre verliehen.
»Wir müssen heute einen Demokratieraum schaffen, in dem wir streiten können, aber respektvoll miteinander umgehen«, sagte Steinmeier laut Redemanuskript. Ein Raum, »in dem gegensätzliche Interessen und Sichtweisen formuliert werden, aber in dem wir auch Fakt von Lüge unterscheiden können«.
Das Kommunikationsverhalten im Zeitalter des Internets führe dazu, dass die Gesellschaft in Grüppchen zerfalle und der öffentliche Raum zersplittere. Doch nur wer bereit sei, die Sichtweisen der Gesprächspartner zu verstehen, könne einen wirklichen Austausch herbeiführen.
Demokratie Die Wiederbelebung des »Völkischen« durch »Pegida«-Demonstrationen verrate das Erbe der europäischen Aufklärung und verneine die Grundbedingung pluralistischer Demokratie, sagte Steinmeier. »Völkisches Denken« brüste sich mit der Aufkündigung des Dialogs. »Dann gibt es nur noch die eigene Wahrheit und die Lügen der anderen.« Einen Alleinvertretungsanspruch habe aber in der Demokratie niemand. »Hält unser kulturelles Gedächtnis länger als drei Generationen?«, fragte Steinmeier.
Das für die Demokratie wichtige Ringen um den besten Weg für die Zukunft dürfe die Vernunft als Maßstab nicht aufgeben, so Steinmeier. Es brauche die Bereitschaft zu zweifeln, zu überprüfen, infrage zu stellen. Auch brauche es die Bereitschaft, Fakten anzuerkennen und von Stimmungen und Meinungen zu unterscheiden. Demokraten sollten in Erinnerung an die Vorkämpfer in der Paulskirche 1848 und an Ignatz Bubis »nicht verzagt, sondern mit Entschlossenheit« für den demokratischen Raum streiten.
In seiner Laudatio hob der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der frühere Frankfurter Stadtkämmerer Tom Koenigs, Steinmeiers beharrlichen Einsatz für Verständigung hervor. Zur Methode zitierte der frühere Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe und UN-Diplomat den Außenminister: »Wir müssen lernen, mit sechs Augen zu sehen, mit den eigenen, denen des anderen und schließlich mit einem gemeinsamen Blick«, sagte Koenigs laut Redemanuskript. Der Außenminister habe mit seiner Beharrlichkeit Erfolge in der Verständigung bei internationalen Konflikten erzielt, so Koenigs.
Iran-Deal Beispiele seien der Abschluss des Atom-Abkommens mit dem Iran nach 14 Jahren Verhandlung, die Deeskalation im Ost-Ukraine-Konflikt und die Begleitung des Friedensprozesses in Kolumbien zwischen der Regierung und der größten Guerilla-Gruppe nach 52 Jahren Krieg.
Als designierter Bundespräsident komme auf Steinmeier die Aufgabe zu, in Deutschland ein Bürgerbündnis der Liberalität, der guten Nachbarschaft und der Weltoffenheit zu inspirieren, sagte Koenigs. »Ein Bündnis, das das Recht zum Anderssein hochhält, das Diskriminierung, Radikalisierung, Nationalismus, Vereinfachung und Dummheit entgegentritt, und zwar aus der Tiefe der Gesellschaft heraus.«
Erster Preisträger war 2001 Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Es folgten 2004 der katholische Limburger Bischof Franz Kamphaus, 2007 der frühere Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann (CDU) und 2010 die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Trude Simonsohn. 2013 wurde zum ersten Mal eine Institution geehrt. Den Preis bekam damals das Fritz-Bauer-Institut zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust. epd
Lesen Sie die Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Wortlaut:
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/27497