Der Internationale Gerichtshof (IGH) will heute eine Stellungnahme zu den Pflichten Israels gemäß internationalen Rechts im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen, anderen internationalen Organisationen und Drittstaaten in den palästinensischen Gebieten abgeben.
Das Gutachten, das auf Antrag der UN-Vollversammlung erstellt wurde, betrifft die Frage, welche rechtlichen Verpflichtungen Israel in Hinblick auf die Präsenz und Tätigkeit internationaler Akteure in den palästinensischen Gebieten nach Ansicht des IGH hat. Dabei geht es unter anderem um die Sicherstellung humanitärer Hilfe, die Versorgung der Zivilbevölkerung und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser.
Geleitet wird die öffentliche Sitzung vom japanischen Richter Iwasawa Yuji, dem Präsidenten des IGH. Beobachter erwarten, dass das Gutachten politische und diplomatische Folgen haben könnte – insbesondere für die Beziehungen zwischen Israel, den Vereinten Nationen und Drittstaaten in der Region.
Die UN-Vollversammlung (UNGA) hatte im Dezember 2024 beschlossen, den Gerichtshof um eine rechtliche Einschätzung zu bitten. Grundlage war eine Resolution, in der die Mitgliedstaaten die sofortige Klärung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels forderten.
Seit Jahren verabschiedet die UNGA mehr Resolutionen gegen Israel als gegen alle anderen Staaten der Welt zusammen. Im vergangenen Jahr waren es 17 Resolutionen gegen Israel und sechs gegen andere Länder.
Die beratenden Gutachten des IGH sind zwar nicht bindend, besitzen jedoch erhebliches politisches Gewicht und dienen häufig als Grundlage für internationale Entscheidungen und Resolutionen. Israel wirft den Vereinten Nationen eine generelle Voreingenommenheit gegenüber dem jüdischen Staat vor und weigerte sich zuletzt, an IGH-Anhörungen teilzunehmen.
Ursachen ausgeblendet
Israelische Regierungsbeamte erklärten im Vorfeld der heutigen Veröffentlichung der Rechtsauffassung des IGH, das Gericht werde als »politische Waffe« gegen Israel missbraucht. Dies habe sich auch in drei weiteren IGH-Fällen gezeigt, darunter die Klage Südafrikas gegen Israel wegen eines angeblichen Völkermords in Gaza.
Richtig wäre es den Angaben zufolge gewesen, die Unterwanderung des sogenannten Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA) durch die palästinensische Terrororganisation Hamas zu untersuchen. Jerusalem erwartet jedoch aufgrund der Erfahrung der vergangenen Monate erneut eine »einseitige Rechtsauffassung« gegen Israel.
Im vergangenen Jahr äußerte das UN-Gericht seine Rechtsauffassung zur Präsenz von Siedlern und den israelischen Streitkräften (IDF) in den besetzten Gebieten, die sie als »illegal« bezeichnet. Kritiker bezeichneten diese Darstellung als realitätsfremd. Die historisch-völkerrechtlichen Ursachen der israelischen Präsenz seien darin ausgeblendet worden. ja