Linke

»Ich verstehe diese Leute nicht«

Jan Korte Foto: dpa

Herr Korte, in der Bundestags-Linken herrscht Streit, nachdem antizionistische Aktivisten Ihren Fraktionschef bis zur Toilette verfolgt haben. Gregor Gysi aber will uns kein Interview geben. Verstehen Sie das?
Ja und nein. Die Debatte nervt, ist aber notwendig. Es geht nämlich gar nicht um Gregor Gysi, sondern darum, wie sich Teile der Fraktion zu Israel, zum Judentum und zum historischen Erbe der Schoa verhalten.

Zu der Fraktion, der Sie und Gysi angehören, zählen auch Inge Höger und Annette Groth, die sich den 9. November ausgesucht hatten, um ein Fachgespräch über israelische Soldaten als »Judäo-Nazis« zu führen.
Man kann sich nicht aussuchen, mit wem man in einer Fraktion sitzt. Aber die Diskussion, was man in dieser Fraktion will, muss man führen. Es geht um Leitfragen politischen Denkens. Etwa darum, ob man das Freund-Feind-Denken überwinden will.

Und? Will man?
In der großen Mehrheit: Ja. Sie dürfen nicht vergessen, dass die, über die wir sprechen, in der absoluten Minderheit sind.

Immerhin haben sie wichtige Funktionen in der Fraktion inne.

Ich sage ja: Wir müssen die Debatte führen. Aber Sie sollten auch nicht die Erfolge vergessen. Diskussionen über das Existenzrecht Israels finden Sie bei uns nicht. In unserem Erfurter Programm wird in Anbetracht der beispiellosen Verbrechen, die Deutschland an Juden begangen hat, die Verpflichtung für eine sichere Existenz Israels gefordert.

Es geht aber nicht ums Programm, sondern um die Aktion mehrerer Abgeordneter.
Richtig. Und die kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich begreife nicht, wie man als Linker in Deutschland ausgerechnet am 9. November eine gegen Israel gerichtete Veranstaltung abhalten will. Ich begreife auch nicht, wie man zu Israelboykotten aufrufen kann.

Für Ihre Fraktionskolleginnen Höger und Groth scheint das möglich zu sein.
Leider. Deswegen haben wir den Aufruf »Ihr sprecht nicht für uns« initiiert.

Aus der Fraktion wurde auch die Forderung laut, die beiden sollten ihr Mandat niederlegen. Fordern Sie das auch?
Nein. Entscheidend ist, dass wir eine Debatte über Selbstverständnis und Geschichte führen. Wenn die Debatte nicht von den Spitzen befördert wird, machen wir es selbst. Deckel drauf geht nicht.

In anderen Parteien wären Ausschlussforderungen normal. Was macht Sie optimistisch. dass Ihr Weg der Diskussion funktioniert?
Sonst würde ich ihn nicht beschreiten. Da widerspreche ich auch meinem Fraktionsvorsitzenden: Diese Diskussion kann man nicht einfach für beendet erklären. Schon deswegen nicht, weil wir sie ja auch stellvertretend für ein ganzes Milieu der Linken und Linksliberalen in diesem Land führen.

Sie wird ja nicht zum ersten Mal geführt.
Richtig. Inge Höger hat sich bekanntlich schon einmal mit einem Schal ablichten lassen, der die Landkarte des Nahen Ostens zeigte: zufällig ohne einen Staat Israel. Daher: Debatte und Auseinandersetzung, so oft es nötig ist.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025