Interview

»Ich verstehe die Enttäuschung«

Ingeborg Berggreen-Merkel Foto: dpa

Frau Berggreen-Merkel, ist die von der Bundesregierung eingesetzte Taskforce nicht in der Lage oder nicht willens, die Herkunft von Raubkunst aus der Sammlung Gurlitt zu klären?
Provenienzforschung basiert auf der Auswertung vornehmlich archivalischer Quellen. Die Expertise der Mitglieder der Taskforce aus dem In- und Ausland ist Garant für die Qualität der Recherche. Die intensive Zusammenarbeit von Persönlichkeiten, die teils von internationalen Opferverbänden und renommierten Institutionen vorgeschlagen wurden, steht für die große Ernsthaftigkeit der gemeinsamen Arbeit. Aber ob und inwieweit in den weltweit verfügbaren Quellen Hinweise und Dokumente aufgefunden werden können, ist – wie bei jeder anderen Art von Forschung auch – nicht steuerbar.

Die Bilanz der Taskforce ist dennoch blamabel. In zwei Jahren hat sie erst die Herkunft von zwei Bildern aus ehemals jüdischem Besitz festgestellt. Warum?
Ich kann die Enttäuschung vor allem auf jüdischer Seite gut verstehen, aber die Bilanz der Taskforce erschöpft sich nicht allein im Auffinden von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken. Die Herkunft der bei Gurlitt gefundenen Kunstwerke ist ergebnisoffen durch Forschung zu klären. Es kann sich auch erweisen, dass ein Kunstwerk nicht NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Das steht bei über 500 von den 1258 Kunstwerken aus dem Münchner Fund bereits fest. Ferner muss man davon ausgehen, dass trotz umfassender Recherche die Herkunft zahlreicher Werke nach den gegenwärtig bekannten und der Taskforce zugänglichen Quellen nicht mehr geklärt werden kann. Die Unvorhersehbarkeit ihres Ergebnisses liegt im Wesen der historischen Forschung.

Wegen den schlechten Ergebnissen wird die Taskforce Ende 2015 aufgelöst. Weshalb genau soll die Koordinierungsstelle in Magdeburg bessere Ergebnisse erzielen?
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg kann auf den Ergebnissen der Taskforce aufbauen. Die Taskforce hat mit umfassenden Basisrecherchen ein solides Fundament für effiziente Einzelrecherchen gelegt. Diese Basisrecherche ist für den Münchner Bestand bereits abgeschlossen.

Ende 2016 will Kulturstaatsministerin Monika Grütters in der Bundeskunsthalle Bonn Werke aus der Sammlung Gurlitt ausstellen, darunter womöglich auch zahlreiche Werke aus jüdischem Besitz, also Raubkunst. Sie hat angekündigt, »mit Pietät vor den Opfern auszustellen«. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Ich begrüße eine solche Ausstellung, wenn sie – wie geplant – mit einer Dokumentation über den tausendfachen Kunstraub der Nationalsozialisten verbunden ist. Bereits im Dezember 2013 hatte ich Cornelius Gurlitt in einem Gespräch vorgeschlagen, die Kunstwerke in eine Stiftung einzubringen, sie öffentlich zu zeigen und sich den Washingtoner Prinzipien zur Rückgabe von Raubkunst zu unterwerfen.

Mit der Leiterin der Gurlitt-Taskforce sprach Philipp Peyman Engel.

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Berlin

»Kein Gesprächspartner für Demokratinnen und Demokraten«

Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen – und bekommt dafür Kritik aus verschiedenen Lagern

 25.11.2025

Eklat

Streit um Judenstern: Warschau bestellt Israels Botschafter ein

Ein Beitrag der Gedenkstätte Yad Vashem zum Judenstern sorgt in Polen für Unmut. Warum Polens Außenminister eine Richtigstellung fordert

 25.11.2025

New York

NYPD-Chefin entschuldigt sich nach Protest vor Synagoge

Polizeichefin Jessica Tisch räumt ein teilweises Versagen ihrer Behörde ein

 25.11.2025

Berlin

Mit Kippa und Uniform

Jüdische Geistliche aus Kanada, den USA, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern bei der ersten internationalen Konferenz von Militärrabbinern

 25.11.2025

Polen

Antisemitismus-Eklat in Auschwitz

»Juden wollen in Polen Übermenschen sein, die Anspruch auf eine bessere Stellung haben, und die polnische Polizei tanzt nach ihrer Pfeife«, sagt der rechtsextreme Politiker Grzegorz Braun

 25.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025