Gedenken

»Ich sehe mich als Verbündeter«

Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen Foto: Jacob Schröter

Gedenken

»Ich sehe mich als Verbündeter«

Reinhard Schramm über die Erinnerung an den Genozid und die aktuelle Diskriminierung von Sinti und Roma

von Joshua Schultheis  04.08.2022 08:07 Uhr

Herr Schramm, Sie sind Jude und haben die Schoa überlebt. Nun waren Sie in Auschwitz, um am Holocaust-Gedenktag der Sinti und Roma teilzunehmen. Wieso war Ihnen diese Reise wichtig?
Ich bin an diesem Tag nach Auschwitz gekommen aus Respekt vor den Sinti und Roma, die genau wie die Juden Opfer des Nationalsozialismus waren. Ich glaube, dass Juden sowie Sinti und Roma Geschwister in einer Schicksalsgemeinschaft sind. Das Gedenken an den Genozid an den Sinti und Roma wurde bisher vernachlässigt. Auch wir Juden müssen darauf bestehen, dass dieses Gedenken endlich ernster genommen wird.

Werden die Anliegen der Sinti und Roma zu wenig wahrgenommen?
Ja, ganz klar. Immer wieder – vor allem in Krisen, wie aktuell durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs – sieht man, dass plötzlich die alten Vorurteile gegen Sinti und Roma, die eigentlich niemals weg waren, wieder offen ausgesprochen werden. So wie sich auch heute wieder der Hass gegenüber Juden offener äußert als noch vor ein paar Jahren.

Welche Beziehung haben Sie zur Gemeinschaft der Sinti und Roma in Deutschland?
Als Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen habe ich mich immer bemüht, einen guten Kontakt zu der Gemeinschaft der Sinti und Roma zu pflegen. Seit über zehn Jahren haben wir ein gutes Verhältnis zueinander. Die Unterstützung für die Sinti und Roma ist zu gering in Europa. Sie können die Hilfe der Juden daher gebrauchen. Ich sehe mich als Verbündeter der Sinti und Roma. Und Verbündete sind wichtig – auch wir Juden können uns im Ernstfall nicht alleine schützen.

Wie bewerten Sie die heutige Situation der Sinti und Roma in Europa?
Deren Gemeinschaft ist stark in Bedrängnis – zurzeit etwa in der Ukraine oder den Ländern Südosteuropas. Wir müssen gemeinsam aufpassen, dass wir alles tun gegen wachsenden Nationalismus – und Schlimmeres – in Deutschland und Europa. Als Verbündete müssen wir Juden uns fragen, was wir tun können. Eine Konsequenz sollte etwa sein, zu fordern, dass kein Land, das seine Roma-Minderheit diskriminiert, in die Europäische Union aufgenommen werden sollte.

Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, ist seit Langem ein Freund von Ihnen. Wie haben Sie sich kennengelernt?
Ich kenne Romani Rose seit 2012, weil ich immer darauf bestanden habe, dass wir als jüdische Gemeinde die Perspektive der Sinti und Roma berücksichtigen. Ich habe Romani Rose zu uns eingeladen, damit er uns von seiner Sicht auf die Probleme seiner Gemeinschaft erzählt. Seitdem nehmen meine Frau und ich jedes Jahr im August am Gedenktag für die ermordeten Sinti und Roma in Auschwitz teil.

Mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen sprach Joshua Schultheis.

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Kairo

Ägypten: Angeblich Pläne für USA-Reise von Präsident al-Sisi

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sollen Israels Premier und Ägyptens Staatschef keinen Kontakt gehabt haben. Wird sich al-Sisi mit Hilfe eines Gas-Deals zu einem Treffen in den USA bewegen lassen?

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Australien

Polizei in Sydney stoppt Verdächtige – Pläne vereitelt?

Nur wenige Tage nach den tödlichen Schüssen an Sydneys weltberühmten Bondi Beach gibt es einen Einsatz von Anti-Terror-Einheiten. Die Verdächtigen sollen auf dem Weg zum Strand gewesen sein

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Thüringen

Klage der rechtsextremen AfD gegen Verfassungsschutzchef teils erfolgreich

In einem Punkt wurde den Klägern recht gegeben, in zwei anderen nicht. Es geht um Äußerungen von Stephan Kramer in einem Medienbericht

 18.12.2025

Verbundenheit

Chanukka und Advent: Licht gegen den Hass

Im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland versichert die Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehr der jüdischen Gemeinschaft ihren Beistand und ihre Solidarität

von Bischöfin Kirsten Fehrs  18.12.2025

Landgericht Berlin

Gericht: »From the River to the Sea« ist Aufruf zur Judenvernichtung

Die 2. Große Strafkammer des LG Berlin I hat einen Mann wegen der Verwendung der Parole zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun muss wohl der Bundesgerichtshof ein abschließendes Urteil fällen

 18.12.2025