Berlin

Habeck trifft mit Rede gegen Judenhass einen Nerv

Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag beim UK Artificial Intelligence (AI) Safety Summit im englischen Bletchley Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Mit einer Videobotschaft gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel hat Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine enorme Resonanz und viel Zuspruch ausgelöst. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, lobte die »klaren wie besonnenen Worte«, der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel schrieb auf dem Kurzmitteilungsdienst X (vormals Twitter): »Eine großartige Rede zum richtigen Zeitpunkt«. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sagte dem »Tagesspiegel«: »Mut, ein moralischer Kompass und Klarheit bedeuten Führung.«

Zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel, treffe Robert Habeck den richtigen Ton »wie kein anderer in dieser Bundesregierung«, schrieb die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien.

Habeck will »entwirren«

In der öffentlichen Diskussion werde zu viel vermischt, er wolle helfen, sie zu »entwirren« stellt Habeck seiner Botschaft voraus. Er prangert antisemitische Übergriffe an, beschreibt die Angst, die Juden und Jüdinnen hierzulande wieder spüren, und appelliert: »Wir haben sicherlich oft zu viel Empörung in unserer Debattenkultur, aber hier können wir gar nicht empört genug sein.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Habeck verlangt »eine harte politische Antwort«, von Muslimen in Deutschland fordert er eine klarere Distanzierung, auch den »Antisemitismus in Teilen der politischen Linken« kritisiert er. Die Plattform X weist am Donnerstagnachmittag 6,7 Millionen Klicks für das am Vorabend veröffentlichte Video aus.

Habeck spricht Bürgerinnen und Bürger mit solchen Botschaften gern direkt an, ob auf Instagram oder dem X-Kanal seines Ministeriums - ohne Umwege über Journalisten versucht er dort, seine Politik zu erklären. Die aktuelle Botschaft kommt zu einem interessanten Zeitpunkt: Mit seiner Enthaltung bei einer UN-Abstimmung zum Gaza-Krieg hat Deutschland Irritationen in Israel ausgelöst, was Habeck allerdings nicht anspricht.

Nicht neu, aber deutlich

Inhaltlich sagt Habeck, was viele deutsche Politiker vor ihm bereits ausgesprochen haben, doch mit Wortwahl und Ton trifft er offensichtlich einen Nerv. Habeck habe »sehr deutliche Worte« gefunden, »die man vielleicht auch von der Innenministerin oder vom Bundeskanzler oder von der Außenministerin erwartet hätte«, merkte der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet am Donnerstag im Sender Welt an.

Habeck selbst wehrte am Morgen vor dem Abflug zu einem Besuch in Großbritannien ab: »Der Bundeskanzler hält sehr große und einordnende Reden. Und ich glaube, dass wir in dieser schwierigen Zeit nicht genug von solchen Debattenbeiträgen bekommen können.«

Für einige in Berlin ist der Auftritt Habecks die beste Kanzler-Rede, die nie gehalten wurde. Olaf Scholz (SPD) hat sich vor allem in zwei Regierungserklärungen im Bundestag zum Terrorangriff der Hamas geäußert. Inhaltlich gibt es keine großen Unterschiede zum Vizekanzler: Auch Scholz hat den Antisemitismus in Deutschland scharf verurteilt, eine harte Antwort darauf angemahnt und sich klar an die Seite Israels gestellt.

Rhetorisch und emotional kommt er aber an Habeck nicht heran. Es ist eine Kritik, mit der Scholz seit Beginn seiner Amtszeit leben muss. In Momenten wie diesen, die bei einem großen Teil der Bevölkerung Erschütterung, Wut und auch Ängste auslösen, wiegt das besonders schwer.

Scholz will sich nicht verbiegen. »Ich bin, wie ich bin«, ist sein Motto. Außerdem hat er auch inhaltlich weniger Beinfreiheit als Habeck, der in einem ersten Video wenige Tage nach dem Angriff der Hamas Israel »uneingeschränkte Solidarität« zugesichert hatte.

Im Kanzleramt kam das nicht so gut an. »Uneingeschränkte Solidarität« hatte auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 den USA versprochen - und konnte sie nicht einhalten. Beim Einmarsch der US-Truppen in den Irak war Schluss damit. Scholz bleibt lieber bei »unverbrüchlicher Solidarität«, getreu dem Motto: Man weiß ja nicht, was da noch kommt.

Offene Worte auch im Ausland

Scheu vor geopolitischen Fragen jedenfalls ist nicht Habecks Sache. Schon als Grünen-Chef forderte er im Mai 2021, lange vor dem großangelegten russischen Angriff, Waffenlieferungen an die Ukraine und zeigte sich knapp zwei Jahre später »tief beschämt« darüber, dass diese erst zu spät erfolgt seien.

Seine Position als Vizekanzler verschafft ihm bei Auslandsreisen Zugang zu hochrangigen Gesprächspartnern, um Diplomatie ist er dabei ähnlich wie Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock nicht immer bemüht. Zum Abschluss seiner Türkei-Reise in der vergangenen Woche nannte Habeck das türkische Justizsystem eine Einladung für Korruption, Differenzen mit der dortigen Regierung beim Gaza-Krieg benannte er mehr als deutlich.

Das Konzeptionelle, die großen Linien zu skizzieren, oft verwoben mit persönlichen Anekdoten, manchmal flapsig, manchmal emotional, das liegt dem mehrfachen Buchautor Habeck. Schon in den Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vermittelte er den Kurs der Bundesregierung mit mehr Erfolg als andere und wurde zu einem der beliebtesten Minister.

Doch eine vertauschte Zahl oder eine schräge Formulierung reichen, um eine Debatte über seine Fachkompetenz als Wirtschaftsminister zu entfachen. Und auf Habecks Konto gehen eben nicht nur mehr oder weniger prägnante Analysen, sondern auch das höchst unbeliebte Heizungsgesetz, bei dem ihm selbst Parteikollegen mit Blick auf die lange unklare Förderung strategische Fehler ankreiden. Charisma ist in der deutschen Politik ein zweischneidiges Schwert.

Israel

Steinmeier verteidigt Treffen mit Netanjahu

Der Bundespräsident erteilt den Forderungen von Amnesty International eine klare Absage

 13.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Budapest

Acht Israelis von deutschen Touristen angegriffen

Eines der Opfer: »Mein Gesicht war zerkratzt und meine Brille und Kippa waren weg.«

 13.05.2025

Debatte

CSU-Landesgruppenchef nennt Linke »antisemitisch«

In der vergangenen Woche hat die Union bei der Kanzlerwahl in einer Verfahrensfrage zusammen mit der Linken gestimmt. Das soll aber die absolute Ausnahme bleiben

 13.05.2025

Jubiläum

Steinmeier beginnt zweitägigen Besuch in Israel

Erst besucht Israels Präsident Herzog Berlin, jetzt Bundespräsident Steinmeier Jerusalem. Er will sich dort auch mit Israels Regierungschef Netanyahu treffen – obwohl ihm davon abgeraten wird

 13.05.2025

Prozess

Verfahren um Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge beginnt

Der Angeklagte ist vermutlich psychisch schwer erkrankt und war zur Tatzeit unter Umständen schuldunfähig

 13.05.2025

Den Haag

Bericht: Khan beantragte Haftbefehle aus politischen Motiven

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wollte durch seine Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant Druck auf Israel ausüben, so ein westlicher Diplomat der »Jerusalem Post«

 13.05.2025

Berlin

Dobrindt verbietet »Königreich Deutschland«

Laut Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sind die von den Reichsbürgern verbreiteten antisemitischen Verschwörungsmythen einer der Gründe für das Verbot

 13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert