Bundestag

Grünen-Politiker kritisieren »Kampagne« gegen Antisemitismus-Resolution

Dutzende Grünen-Politiker bekunden in einem offenen Brief ihre Unterstützung für die interfraktionelle Bundestagsresolution gegen Antisemitismus. »Es ist das wichtige Zeichen, dass die enorme Bedrohung durch Antisemitismus, die sich seit dem 7. Oktober in einer nie zuvor dagewesenen Vehemenz Bahn bricht, adressiert und anerkennt, dass es hiergegen dringend staatlicher Maßnahmen bedarf«, schreiben die Unterzeichner, darunter vier Bundestagsabgeordnete sowie zahlreiche Kommunal- und Landespolitiker, insbesondere aus Bayern.

Die Unterstützer des offenen Briefes zeigen sich »erschüttert und zutiefst besorgt angesichts der Kampagnen« gegen die Resolution. »Leider müssen wir feststellen, dass mittels false balancing auch von Akteuren innerhalb der Regierungskoalition versucht wurde, das Gefühl zu erzeugen, es gäbe eine geschlossene Haltung jüdischer Grüner und Intellektueller gegen diesen Antrag«, heißt es in dem Brief. Dem sei jedoch nicht so: Die große Mehrheit der jüdischen Gemeinschaft stehe hinter dem Vorhaben von Ampel und Union. Von der Resolution abzurücken »wäre ein beschämender Akt und würde einen enormen Vertrauensverlust bedeuten«.

Die Resolution »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« kam nach langwierigen Verhandlungen zwischen Ampel-Parteien und der Union zustande und wird am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung gestellt. Jüdische Organisationen in Deutschland sprechen sich fast ausschließlich für den Antrag aus. In Teilen der Zivilgesellschaft, Kulturlandschaft und Politik stößt dieser dagegen auf massive Kritik.

Grünen-Abgeordneter: »Weise die Kampagne entschieden zurück«

Der Verteidigungspolitiker und Grünen-Bundestagsabgeordneter Philip Krämer hat den Brief unterschrieben. »Ich weise die Kampagne gegen den Antrag entschieden zurück, weil hier versucht wird, Antizionismus als Haltung salonfähig zu machen«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. »Jetzt muss es darum gehen, jüdisches Leben in Deutschland zu fördern und den antisemitischen Mob auf der Straße zurückzudrängen.« Eine parteiübergreifende gemeinsame Haltung sei daher zentral, so Krämer.

Lesen Sie auch

Unterzeichnerin Lisa Badum, Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagte dieser Zeitung: »Es ist so wichtig, dass diese Resolution in der Woche des Jahrestags vom 9. November verabschiedet wird.« An die Jüdinnen und Juden in Deutschland müsse das klare Signal gehen, dass ihr Schutz oberste Priorität hat.

Die Politikerin verteidigt außerdem die in der Resolution empfohlenen strengeren Regeln für staatliche Zuwendungen: »Dass Organisationen und Projekte weder Antisemitismus vorantreiben noch aktiv die BDS-Bewegung unterstützen oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen sollten, bildet unsere gesellschaftlichen Grundwerte ab und muss für Organisationen machbar sein.«

Neben Badum und Krämer haben auch die Bundestagsabgeordneten Leon Eckert und Sascha Müller den offenen Brief unterschrieben.

Kritik an der Resolution kommt auch von Grünen

Der offene Brief der Grünen-Politiker dürfte nicht zuletzt gegen einen Teil der eigenen Partei gerichtet sein. In den Verhandlungen über den Resolutionstext zwischen der Union und der Ampel soll es vornehmlich in der grünen Fraktion große Widerstände gegeben haben. Umstritten sind vor allem das in der Resolution enthaltene Bekenntnis zur Antisemitismus-Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) sowie die Forderung nach strengeren Antisemitismus-Auflagen für staatliche Förderung.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram kündigte bereits an, nicht für die gemeinsame Resolution stimmen zu wollen. Diese enthalte eine »Engführung zwischen Antisemitismus und Kritik an israelischer Regierungs-Politik« und könne somit »eine unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit bewirken«.

Zudem appellieren die Sprecher von neun Bundesarbeitsgemeinschaften der Grünen in einem Brief an die Bundestagsfraktion, die Resolution entweder neu zu verhandeln oder gegen diese zu stimmen. Die Unterzeichner befürchten ebenfalls problematische Einschnitte für die Meinungsfreiheit sowie einen Schaden für die internationalen Beziehungen Deutschlands. In dem Brief, der der Jüdischen Allgemeinen vorliegt, heißt es: »Wir fordern die Durchführung eines breit angelegten Beteiligungsprozesses, um eine alternative Fassung zu formulieren.«

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025