Interview

»Gewalt ist sehr präsent«

Christoph Kopke Foto: dpa

Herr Kopke, derzeit hört man, dass es seit 1990 in Deutschland 746 versuchte oder vollendete Tötungen aus rechtsextremer Motivation gab. Offiziell waren es bislang 60 Morde. Wie ist das zu erklären?
Die Zahl 746 bezieht sich auf ungeklärte Tötungsdelikte, bei denen möglicherweise eine rechtsextreme oder rassistische Motivation vorliegen könnte. Die Fälle müssen jetzt erst einmal untersucht werden.

Sie selbst führen für das Land Brandenburg eine Überprüfung abgeschlossener Gerichtsverfahren der letzten zwei Jahrzehnte durch. Wie präsent ist rechte Gewalt in Deutschland?
Die Frage ist ja, was politische oder rechte Gewalt ist. Wenn man von einem erweiterten Politikbegriff ausgeht, sind »Hate Crimes«, also Straftaten, die aus Hass auf bestimmte Gruppen begangen werden, sehr präsent.

Diese Gruppen sind Minderheiten: Juden, Ausländer, Schwarze, Homosexuelle. Wer in Deutschland ist besonders gefährdet?
Gefährdet sind Menschen, die als Ausländer wahrgenommen werden. Unter den Todesopfern rechter Gewalt finden sich auffällig viele Obdachlose und sozial marginalisierte Menschen. Wenn man den Blick von den Tötungsdelikten abwendet, dann werden in manchen Gegenden sehr oft Jugendliche Opfer rechter Gewalt, die nicht-rechten Jugendkulturen angehören oder politisch links stehen.

Warum wurde dies lange als Kriminalität ohne besondere Motivation registriert?
Bis 2001 galt eigentlich eine Straftrat nur dann als politisch motiviert, wenn sie sich explizit gegen den Staat oder die Wirtschaftsordnung richtete oder wenn der Täter seine rechtsradikale, neonazistische Gesinnung deutlich zum Ausdruck brachte.

Kann man von »Vertuschung« sprechen, um die bisherige Praxis zu beschreiben?
Ich kann nur für Brandenburg sprechen: Hier kann ich keine systematische oder gar angeordnete Vertuschung erkennen. Es ist vielmehr oft die Frage, ob einzelne Polizisten etwas als rechte Gewalttat erkennen wollen oder können.

Gibt es bei der Polizei mittlerweile eine diesbezügliche Sensibilisierung?
Ich gehe davon aus, dass die Polizei hier weiter nachlegen wird, gerade was die Analysekompetenz bezüglich »Rassismus« betrifft. Aber aus dem NSU-Skandal wissen wir ja, dass das Problem eher die Verfassungsschutzbehörden sind, weniger die Polizei. Beim VS Thüringen etwa wurden offensichtlich Straftaten vertuscht und Straftäter gedeckt. Da muss sich noch viel ändern.

Hat der NSU-Skandal ein Umdenken bewirkt?
Vor allem hat es zivilgesellschaftlichen Druck gegeben: Initiativen haben darauf hingewiesen, dass viele Straftaten rechtsextrem motiviert sind. Daher hat Brandenburg das Moses Mendelssohn Zentrum beauftragt, eine Reihe von Fällen unter dem Aspekt zu betrachten, ob hier ein solches Motiv erkennbar ist.

Mit dem Wissenschaftler des Moses Mendelssohn Zentrums sprach Martin Krauß.

Meinung

Schlechte Zeiten für Frankfurts Juden

Durch die Radikalisierung der israelfeindlichen Szene ist die jüdische Gemeinschaft der Mainmetropole zunehmend verunsichert. In der Stadtgesellschaft interessiert das jedoch nur wenige

von Eugen El  01.09.2025

Kooperation

Bundesarchiv arbeitet mit Sinti und Roma bei NS-Akten zusammen

Es geht um Akten, die den Massenmord an Sinti und Roma belegen. Sogar nach dem Krieg dienten sie noch für rassistische Forschung. Nun gibt es eine Vereinbarung für ihre Nutzung

von Norbert Demuth  01.09.2025

Jerusalem

Deutsche Studierende gehen trotz Krieg nach Israel

Seit den 70er-Jahren absolvieren Theologiestudierende ein Studienjahr in Jerusalem. Auch jetzt findet das mit Bundesmitteln geförderte Programm an der Dormitio-Abtei statt - wenngleich mit verminderter Teilnehmerzahl

von Burkhard Jürgens  01.09.2025

Barcelona

Israelfeindliche Aktivisten starten neue Flottille in Richtung Gaza

Erneut wollen die Teilnehmer Israels Gaza-Seeblockade durchbrechen. Nach früheren Fehlschlägen soll es nun mit vielen kleinen Booten klappen. Greta Thunberg ist wieder dabei

 01.09.2025

Nahost

Deutscher Beauftragter für Menschenrechte reist nach Israel

Lars Castellucci macht sich ein persönliches Bild von der Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein Augenmerk liegt darauf, wo deutsche Hilfe möglich ist - und wo sie behindert wird

 01.09.2025

Rotes Meer

Huthi greifen Öltanker an

Das Schiff gehört einem israelischen Milliardär

 01.09.2025

Washington D.C.

USA verweigern Palästinensern Visa

Ein internes Schreiben von Außenminister Marco Rubio legt fest, dass sogenannte Nicht-Einwanderungsvisa für Antragsteller mit palästinensischem Pass generell zu verweigern sind

 01.09.2025

Appell

Nennt ihre Namen!

Deutschland redet geradezu obsessiv über Israel. Über den angeblichen »Völkermord.« Über die Siedlungen. Aber über die deutschen Geiseln spricht fast niemand. Es ist, als existierten sie nicht mehr

von Andreas Büttner  31.08.2025 Aktualisiert

Meinung

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  01.09.2025 Aktualisiert