Justiz

Gericht will Urteil gegen Ex-Wachmann im KZ Stutthof verkünden

Der 93-Jährige hatte zum Auftakt des Verfahrens im Oktober vergangenen Jahres eingeräumt, dass er Wachmann in Stutthof war. Foto: dpa

Neun Monate nach Beginn des Prozesses gegen einen ehemaligen Wachmann im Konzentrationslager Stutthof will das Landgericht Hamburg am Donnerstag (11 Uhr) das Urteil verkünden. Die Staatsanwaltschaft hat eine Jugendstrafe von drei Jahren beantragt.

Sie wirft dem 93 Jahre alten Angeklagten vor, durch seinen Wachdienst als SS-Mann von August 1944 bis April 1945 Beihilfe zum Mord an 5230 Menschen geleistet zu haben. Er sei ein »Rädchen der Mordmaschinerie« der Nationalsozialisten gewesen. Die Verteidigung hat Freispruch gefordert.

STRAFE Die Vertreter der 40 Nebenkläger - darunter 35 Überlebende des Lagers bei Danzig - haben eine Verurteilung des Angeklagten, aber keine über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgehende Strafforderung gestellt. Einige Nebenkläger äußerten ausdrücklich den Wunsch, der 93-Jährige möge nicht inhaftiert werden.

In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten.

Ein hochbetagter Stutthof-Überlebender in Israel erklärte, man solle ihm vergeben. In seinem letzten Wort hatte der Angeklagte die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten. Weil der Angeklagte zur Tatzeit erst 17 bis 18 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt.

SCHLÄGE Vier ehemalige Gefangene hatten persönlich im Gerichtssaal ausgesagt, zwei weitere waren über eine Videoschaltung angehört worden. Die Überlebenden hatten von täglichen Misshandlungen wie Schlägen und stundenlangen Appellen, Hinrichtungen sowie von Hunger und einer Fleckfieber-Epidemie berichtet. Abraham Koryski, ein 91-Jähriger aus Israel, hatte nach eigenen Angaben mehrfach erlebt, wie die SS spontane sadistische »Shows« veranstaltete.

Einmal habe ein Sohn seinen Vater zu Tode prügeln müssen, vor den versammelten Häftlingen. Ein SS-Offizier habe einen Stuhl zerbrochen und gedroht, irgendeinen der Gefangenen zu erschießen, wenn nicht der Vater den Sohn oder der Sohn den Vater mit einem Stuhlbein erschlage. Daraufhin habe sich der Vater von dem Sohn zu Tode prügeln lassen. Anschließend sei der Sohn erschossen worden.

Die Bedingungen sind so schlimm gewesen, dass von den 100 bis 200 Gefangenen in ihrer Baracke nur 20 bis 25 die Räumung des Lagers vor Kriegsende erlebten.

Die 92 Jahre alte Halina Strnad hatte berichtet, dass Aufseherinnen in Stutthof sie gleich nach ihrer Ankunft im September 1944 bespuckt, getreten und ihr die Nase gebrochen hätten. Die gefangenen Frauen seien als »Untermenschen« bezeichnet worden. Die Bedingungen seien so schlimm gewesen, dass von den 100 bis 200 Gefangenen in ihrer Baracke nur 20 bis 25 die Räumung des Lagers vor Kriegsende erlebten. Vom nahen Wachturm aus hätten die SS-Männer sehen können, wie die Häftlinge geschlagen wurden oder zur Bestrafung lange Zeit beim Appell stehen mussten. Auch die auf dem Boden herumliegenden Leichen hätten sie sehen müssen.

WAFFE Eine Beteiligung an einem konkreten Verbrechen wird dem Angeklagten nicht vorgeworfen. Er selbst hat mehrfach erklärt, dass er als nicht frontdienstfähiger Wehrmachtssoldat nach Stutthof abkommandiert worden sei und dort ohne seine Zustimmung in die SS übernommen wurde.

Er habe kein einziges Mal von seiner Waffe Gebrauch gemacht. Staatsanwalt Lars Mahnke stellte dagegen in seinem Plädoyer fest, dass die SS-Wachmannschaften vom Bundesgerichtshof als Verbrecherbande eingestuft worden seien. Jeder, der dort Mitglied gewesen sei, habe sich schuldig gemacht.

USA

Nach Hitlergruß-ähnlicher Geste: Musk legt mit Nazi-Wortspiel noch mal nach

Die Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League reagiert mit klaren Worten

 23.01.2025

Auschwitz-Gedenken

Kanzler Scholz: Ausgrenzung von Juden heute ist empörend und beschämend

Vor 80 Jahren wurden das KZ Auschwitz befreit. Bundeskanzler Scholz nutzt den Anlass, Antisemitismus zu verurteilen. Jeder einzelne sei aufgefordert, gegen judenfeindliche Handlungen anzugehen

von Birgit Wilke  23.01.2025

Meinung

Israel braucht einen neuen Plan

Die Zweifel sind zur Gewissheit geworden: Einen vollständigen militärischen Sieg über die Hamas wird es nicht geben

von Joshua Schultheis  23.01.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Medien feiern den Berliner als »deutsche Stimme aus Gaza«, dass er den Terror der Hamas verharmlost, scheint sie nicht zu stören

von Susanne Stephan  23.01.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Trump-Gesandter sieht Nahen Osten am »Wendepunkt«

Der Nahost-Gesandte des neuen Präsidenten betrachtet die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas als »unglaubliche Chance für die Region« und finanziellen Profit. Wird ein historisches Abkommen nun erweitert?

 23.01.2025

Berlin

Klein: Migranten müssen unser Verhältnis zu Israel begreifen

Der Bundesbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus spricht über Erinnerungskultur in der Migrationsgesellschaft und den Krieg in Gaza

 23.01.2025

Umfrage

Jeder zehnte junge Erwachsene hat den Begriff Holocaust noch nie gehört

80 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz wird die Aufklärung über die Schoa noch komplizierter. Eine Umfrage der Jewish Claims Conference zeigt Wissenslücken und eine große Sorge

 23.01.2025

Berlin

Weidel, Wagenknecht und ihr Hitler-Streit im TV 

BSW-Chefin Wagenknecht und AfD-Chefin Weidel treffen erneut im Fernsehstudio aufeinander – und schenken sich dieses Mal nichts. Es wird dabei ziemlich persönlich

von Jörg Ratzsch  22.01.2025

Bayern

Zentralrat der Juden: »Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des zweijährigen Jungen und des Mannes, der ihm zur Hilfe eilen wollte«

Ein Messerangriff in Aschaffenburg hat zwei Todesopfer und mehrere Verletzte gefordert. Unter den Toten ist ein Kind einer Kita-Gruppe. Die Ermittlungen laufen, das Entsetzen ist groß. Auch der jüdische Dachverband reagiert

von Leticia Witte  22.01.2025