Arrow 3

Gemeinsame Werte, gemeinsame Raketenabwehr

Die Verteidigungsminister Yoav Galant und Boris Pistorius in Berlin. Foto: Imanuel Marcus

Gleich zwei Verteidigungsminister standen in Berlin auf einem Podium im Verteidigungsministerium, und dafür gab es einen guten Grund. Denn in der Absichtserklärung, die Boris Pistorius (SPD) und sein israelischer Gast Yoav Galant am kurz zuvor unterschrieben hatten, geht es um nichts Geringes als die Sicherheit Europas vor einer potenziellen Bedrohung durch Raketen. Und in diesem Fall ist es das kleine Israel, das als technologische Supermacht hilft, einen Schutzschirm zu errichten.

»Es ist ohne Übertreibung ein historischer Tag für unsere beiden Nationen«, erklärte Pistorius, der Gastgeber. »Wir sind uns einig. Das System Arrow wird deutsche Luftverteidigung zukunftsfähig aufstellen. Es ist eines der besten, wenn nicht das beste System.« Der deutsche Minister, der erst seit Januar in diesem Amt ist, schien sichtlich zufrieden.

Flugabwehr »Mit Arrow gewährleisten wir den Schutz vor ballistischen Raketen. Und dass das wichtig ist, sehen wir gerade angesichts der aktuellen Bedrohungslage einmal mehr«, betonte Pistorius. »Wir sehen bei den täglichen russischen Angriffen auf die Ukraine, wie wichtig Flugabwehr ganz allgemein ist, auch wenn die Langstreckenraketen in diesem Krieg bislang keine Rolle spielen. Die Flugabwehr aber ist essenziell. Und gerade auch für uns hier in der Mitte Europas.«

Durch die Vereinbarung über das System Arrow 3 leiste Israel »einen ganz wichtigen Beitrag zu unserer Sicherheit in Deutschland, für unsere Sicherheit in Europa, zur Sicherheit unseres Luftraums.« Aussagen dieser Art waren im Verteidigungsministerium bisher lediglich in Zusammenhang mit weitaus größeren Waffenlieferanten wie den Vereinigten Staaten gefallen.

Mit Arrow 3, dessen erste Komponenten zunächst mit vier Milliarden Euro zu Buche schlagen werden, hat Minister Pistorius viel vor: »Wir wollen Arrow auch integrieren in den NATO-Schutzschild. Dass auch unsere Nachbarn diesen Schutz mit nutzen können, darauf kommt es gerade bei der Abwehr von Raketen an.« Deutschland sei nun den ersten Schritt gegangen.

Hürde Erleichtert zeigte sich Pistorius aufgrund der Tatsache, dass die nächste Hürde, die es zu überwinden gilt, eigentlich keine mehr ist: »Ich bin sehr froh und dankbar, dass der Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag bereits im Juni zugestimmt hat, die Anteile zu bestellen, die lange Produktionszeiten haben. Denn auch das gehört dazu.« Im Oktober steht die zweite und entscheidende Abstimmung an. Das Ok ist so gut wie sicher. »Je früher man anfängt, desto eher ist man fertig.«

»Ausdrücklich unterstreichen« wollte Boris Pistorius die »ohnehin schon einzigartige, ganz besondere bilaterale Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland. Und es ist nicht das erste erfolgreiche Projekt.« Als Beispiele erwähnte er den Kauf der waffenfähigen Aufklärungsdrohne Heron und des Systems Trophy für den Leopard 2-Panzer.

Das Ganze ist keine Einbahnstraße. Auch in umgekehrter Richtung gehen Rüstungsgüter. Zuletzt waren es U-Boote mit dem Label »Made in Germany«, die nach Israel geliefert wurden. »Wir schätzen die gute Zusammenarbeit der israelischen und der deutschen Rüstungsindustrie, die exzellent und bewährt ist«, betonte Pistorius. »Unsere Kooperation ist also fruchtbar und bestens aufgestellt für weitere Vorhaben in der Zukunft.«

Friedensordnung Die Zusammenarbeit mit Israel will die Bundesregierung auch auf dieser Ebene weiter intensivieren. Dies gehört dem Verteidigungsminister zufolge »zur deutschen DNA.« Deutschland und Israel verbinde eine enge Freundschaft auf allen Ebenen. »Darüber bin ich sehr, sehr froh und die Zusammenarbeit könnte kaum besser sein. Der russische Angriff auf unsere Friedensordnung führt uns vor Augen, dass der Zusammenhalt der Nationen in Freundschaft und im Schulterschluss wertvoll und wichtig ist.« Dies gelte insbesondere »für die Länder, mit denen wir Werte teilen.«

Auch Yoav Galant sah die große Bedeutung des heute erfolgten Schrittes: »Mit zwei simplen Unterschriften haben wir heute Geschichte geschrieben«, so der Gast aus Jerusalem. Er versprach eine effektive, pünktliche Lieferung. Die unterzeichnete Absichtserklärung sei ein »belastbarer Beleg« dafür, dass Israel und Deutschland enge Partner seien.

»Wir tauschen militärgeheimdienstliche Informationen und militärisches Wissen aus«, so Galant. »Seit der Etablierung unserer Beziehungen hat Deutschland erheblich zu Israels Sicherheit beigetragen.« Nun werde Israel dasselbe für seine strategische Partnerin, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, tun.

Partnerschaft »Für alle Juden ist dies ein bewegender Moment«, sagte der israelische Gast in Berlin. »Wir sind aus der Tragödie des Holocaust emporgestiegen und haben einen freien, demokratischen Staat aufgebaut.« Nur 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg seien Israel und Deutschland nun in einer Partnerschaft verbunden, die für eine sicherere Zukunft beider Nationen sorgen werde.

Neben den Beziehungen pries Yoav Galant auch das Produkt an: »Das Arrow 3-System ist eines der fortschrittlichsten seiner Art auf der Welt.« In die vorhandenen NATO-Systeme könne es problemlos integriert werden.

Dann war deutlich herauszuhören, dass der Verkaufsdeal mit Deutschland nur der Anfang sein soll: »Israel ist bereit, seine Verteidigungs- und Industriekooperation auf weitere globale Partner auszuweiten.« Israelische Verteidigungssysteme entwickelten sich dynamisch, sagte Galant. Dies habe mit der Erfahrung zu tun, die man dadurch gewinne, dass sich der jüdische Staat seit seiner Gründung immer wieder habe verteidigen müssen.

Auch auf die größte, weiterhin bestehende Gefahr kam Yoav Galant zu sprechen. Israel und Deutschland teilten nicht nur dieselben Werte, sondern seien auch mit denselben Bedrohungen konfrontiert.

»Der iranische Fingerabdruck ist überall«, brachte es der israelische Minister auf den Punkt. Er warnte, die bisher erfolgten Raketenangriffe der Hisbollah und aus Gaza seien nur der Anfang dessen, was noch passieren könne. Denn das Raketen-Embargo gegen Teheran laufe im Oktober aus.

Justizreform Zur Sprache kam auch die von der israelischen Regierung verfolgte Justizreform. Yoav Gallant ist der einzige Minister im Kabinett von Premier Benjamin Netanjahu, der sich gegen das Vorhaben aussprach. Pistorius wollte den Streit nicht öffentlich kommentieren. Er sagte nur, er hoffe auf eine gute Einigung der beiden Seiten.

Arrow 3, ein Projekt des Unternehmens Israel Aerospace Industries in Zusammenarbeit mit amerikanischen Partnern, ist laut Hersteller »das fortschrittlichste Raketenabwehrsystem der Welt«. Es kann anfliegende, ballistische Raketen in großer Höhe neutralisieren - inklusive solcher, die Massenvernichtungswaffen tragen. Daher ist es ein im wahrsten Sinne des Wortes existenzieller Teil der israelischen Landesverteidigung.

Das mehrstufige System kann unbegrenzt erweitert werden. Es beobachtet, erkennt und verfolgt selbstständig ballistische Raketen in Hyperschall-Geschwindigkeit - auch mehrere zugleich - bevor es sie anpeilt und zerstört. Mit den Verteidigungssystemen der NATO ist Arrow 3 kompatibel. Dies ist eines der zentralen Kaufargumente.

Staatsräson Abgesehen von der militärischen und politischen Bedeutung des Raketenabwehrsystems ist seine israelische Herkunft mehr als interessant. Nicht nur ist der Schutz Israels aus deutscher Sicht Staatsräson, sondern vielmehr scheint dies nun auch umgekehrt zu gelten, wie Oliver Rolofs unlängst in einem Kommentar für diese Zeitung feststellte.

Die Technik hat allerdings Grenzen. Galant erklärte, das Raketenabwehrsystem sei sehr präzise. Einen hundertprozentigen Schutz könne es aber nicht geben. »Wir schaffen 96 bis 97 Prozent«, so der israelische Minister. Dies bedeutet: Im Ernstfall kann auch mal eine Rakete durchkommen - trotz Arrow 3.

Bereits Ende 2025 soll Arrow 3 laut Boris Pistorius in Teilen einsatzbereit sein. Der weitere Ausbau des komplexen Systems soll dann schrittweise erfolgen.

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