Erinnerung

Gemeinsam gegen das Vergessen

Fassungslosigkeit, Zorn und die Verpflichtung, alles Menschenmögliche gegen das Vergessen zu tun: Diese Gefühle bewegen Heinrich Bedford-Strohm, den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), als er das erste Mal in seinem Leben unter dem schmiedeeisernen Tor mit der Aufschrift »Arbeit macht frei« hindurchgeht.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Ein Schriftzug, der in der ganzen Welt für das nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen steht. Der Ort, an dem zwischen 1940 und 1945 mehr als 1,2 Millionen Menschen vergast wurden, verhungert sind, an Seuchen und Krankheiten starben oder vor Erschöpfung.

ZENTRALRAT Es ist nicht nur Bedford-Strohms erster Besuch, überhaupt zum ersten Mal reist ein Ratsvorsitzender der EKD nach Auschwitz. Und zum ersten Mal gedenkt dort der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche in Deutschland zusammen mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland und mit dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma des Menschheitsverbrechens – gemeinsam auch als Nachfahren der Täter- und Opfergeneration.

Der Anlass der Reise ist der 2. August, der Europäische Gedenktag für den Holocaust an einer halben Million Sinti und Roma.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Es gebe in Europa keine Familie von Sinti und Roma und Juden, die in der NS-Zeit keine Familienmitglieder verloren hätten, das bezeuge der Ort Auschwitz, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, während der Gedenkzeremonie am Sonntag. Er selbst hat seine Großeltern, Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins verloren.

Der gemeinsame Besuch des Vernichtungslagers wird 75 Jahre nach der Befreiung Teil eines Heilungsprozesses.

Das Schlimmste ist, sagt er, dass die Sinti und Roma in ihren Heimatländern immer noch als »die Fremden« angesehen werden, obwohl sie in Europa seit 700 Jahren ansässig sind. Ihm bedeute es viel, dass die EKD-Delegation an diesem Tag nach Auschwitz gekommen ist. Der gemeinsame Besuch des Vernichtungslagers wird so 75 Jahre nach der Befreiung auch Teil eines Heilungsprozesses.

KREMATORIUM Später schreiten Bedford-Strohm und Rose gemeinsam durch die erste Gaskammer und das erste Krematorium im Stammlager mit den Doppelöfen der Firma Topf und Söhne. Es war die Hölle auf Erden: Ein unmenschlicher Ort und gleichzeitig auch ein zutiefst menschlicher Ort, sagt Christoph Heubner und zeigt auf das Offizierskasino der SS, das sich unmittelbar neben dem Krematorium befand.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, spricht von einem wichtigen Zeichen.

Heubner ist Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, das auch die Überlebenden vertritt. Die Villa des ehemaligen Lager-Kommandanten Rudolf Höß liegt ebenfalls nur wenige Schritt entfernt. Höß wurde 1947 nahe des Krematoriums am Galgen hingerichtet.

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, ist
zutiefst bewegt durch die Geste des gemeinsamen Erinnerns. Er spricht von einem wichtigen Zeichen. Schuster und Bedford-Strohm – Rose ist zu diesem Zeitpunkt schon abgereist – gehen am Montagmorgen gemeinsam durch das »Tor zum Ende der Welt«, das Tor zum Lager Auschwitz-Birkenau, in dem Juden und Sinti und Roma bis zu ihrem Tod interniert wurden. Durch das Tor führen die Gleise, auf denen die Todeszüge ins Lager rollten. Heute ist der Weg mit Schotter belegt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Auf dem 40 Quadratkilometer großen Gelände wächst Gras, Rehe äsen zwischen den Ruinen und Steinbaracken. Heute ist es grün, wo damals schlammiger Morast war, in dem ausgezehrte Gefangene erstickten, wenn sie vor Erschöpfung hinfielen.

PRÄGEND »Dieser Besuch wird mein Leben prägen: die Trauer um die Menschen, die hier gequält und ermordet wurden, die Trauer um all die ungelebten Leben«, sagt Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der EKD. Auch für die ehemaligen Bundesministerin ist es der erste Besuch in Auschwitz. Sie empfinde Schmerz über die Schuld, die auch Christen auf sich geladen hätten, weil sie nicht eingeschritten seien.

Bedford-Strohm betont am Montag in Auschwitz-Birkenau, ihn bestärke der Besuch in seiner Aufgabe, sich für alle Menschen einzusetzen, die ihres Menschseins beraubt würden - manchmal schon durch Worte. Der bayerische Landesbischof verweist auf das elfte Gebot, das Holocaust Überlebende aufgestellt haben: »Du sollst nicht gleichgültig sein.«

Debatte

Schuster: Heute würde ich als Jude nicht überall studieren wollen

Der Antisemitismus in Deutschland macht dem Präsidenten des Zentralrates der Juden zu schaffen. Er blickt sorgenvoll auf die Universitäten und Schulen

von Stefan Heinemeyer  25.01.2025

Berlin

Zehntausende bei »Lichtermeer« am Brandenburger Tor

Mit Lampen und Leuchten wollen Menschen in Berlin ein Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Einer der Organisatoren richtet einen klaren Appell an Friedrich Merz

 25.01.2025

Oldenburg

27-Jähriger gesteht Anschlag auf Synagoge

Nachdem der Fall bei »Aktenzeichen XY ... Ungelöst« behandelt wurde, bekam die Polizei den entscheidenden Hinweis

 25.01.2025

Bundestagswahl

Elon Musk hält Rede bei AfD-Wahlkampfauftakt

Musk behauptete, es gebe »zu viel Fokus auf vergangener Schuld« und bekam dafür Jubel von der in weiten Teilen rechtsextremen Partei

 25.01.2025

Bundestagswahl

Yad-Vashem-Leiter: Regierungsbeteiligung der AfD wäre Schande für Deutschland

Das beste Mittel gegen die AfD sei Bildung

 24.01.2025

Essay

Jede Geisel, die nach Hause zurückkehrt, steht für unser aller Überleben

Das Versprechen »Sicherheit« konnte Israel am 7. Oktober nicht halten. Umso wichtiger ist nun das Versprechen »Nie wieder wehrlos«

von Esther Schapira  24.01.2025

USA

Nach Hitlergruß-ähnlicher Geste: Musk legt mit Nazi-Wortspiel noch mal nach

Die Menschenrechtsorganisation Anti-Defamation League reagiert mit klaren Worten

 23.01.2025

Auschwitz-Gedenken

Kanzler Scholz: Ausgrenzung von Juden heute ist empörend und beschämend

Vor 80 Jahren wurden das KZ Auschwitz befreit. Bundeskanzler Scholz nutzt den Anlass, Antisemitismus zu verurteilen. Jeder einzelne sei aufgefordert, gegen judenfeindliche Handlungen anzugehen

von Birgit Wilke  23.01.2025

Meinung

Kennen Sie Abed Hassan?

Medien feiern den Berliner als »deutsche Stimme aus Gaza«, dass er den Terror der Hamas verharmlost, scheint sie nicht zu stören

von Susanne Stephan  23.01.2025 Aktualisiert