Dortmund

Gegen rechte Hetze

Seit der Eröffnung eines Thor-Steinar-Ladens im Sommer gibt es Proteste gegen das bei Neonazis beliebte Bekleidungsgeschäft. Foto: imago images / Cord

Montagabend für Montagabend versammeln sich Dutzende Menschen in Dortmunds Innenstadt, die wichtigste Einkaufsmeile liegt nur wenige Hundert Meter entfernt. Seit der Eröffnung eines Thor-Steinar-Ladens im Sommer protestieren sie gegen das als bei Neonazis beliebt geltende Bekleidungsgeschäft. Fast zur gleichen Zeit ziehen Rechtsextreme durch die multikulturelle Nordstadt mit ihren vielen Döner-Grills, türkischen Bäckereien und arabischen Gemüsehändlern.

Ihre Aufmärsche beantworten Bündnisse der Dortmunder Stadtgesellschaft mit Demonstrationen gegen rechte Hetze und für ein »buntes statt braunes« Dortmund, zuletzt waren es 2000 Menschen. Die Partei »Die Rechte« kündigte an, ihre Aktionen fortsetzen zu wollen. Dortmund blickt einer unruhigen Zeit entgegen. Auslöser für die andauernden Rechten-Demos war eine symbolträchtige Graffiti-Aktion, zu der auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) nach Dortmund gereist war.

«Nazi-Kiez» In Straßenzügen des Stadtteils Dorstfeld, in denen seit Jahren mehr als 20 Rechtsextreme leben, wurde der auch überregional bekannte Schriftzug »Nazi-Kiez« in einer organisierten Kunst-Aktion übersprüht. Einem örtlichen Verein war es nach längerer Zeit gelungen, dass der Hauseigentümer das Sprayen zuließ. Die Stadt Dortmund erklärt, man sei froh darüber, dass es gelungen sei, sich »gegen Menschen zu stellen, die das freie Leben der Gesellschaft einschränken wollen«.

Auch die Polizei in Dortmund greift bei Demonstrationen gegen die Rechtsextremen durch. Sie sieht sich durch Urteile von Verwaltungsgerichten gestärkt, wie eine Sprecherin erläutert. Das Skandieren von Parolen, mit denen Rechtsextreme einen Gebietsanspruch auf »ihren Kiez« erheben, erfülle einen Straftatbestand. Die Polizei billige nicht, dass durch Nazi-Gebaren Angsträume in der Stadt entstehen, betonte die Sprecherin.

Mit dem Ansinnen, die Parole »Nie wieder Israel« per versammlungsrechtlicher Auflage zu verbieten, konnte sich die Dortmunder Polizei indes beim Verwaltungsgericht und beim Oberverwaltungsgericht in Münster nicht durchsetzen. Die Richter argumentieren, die Parole erfülle nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung und rufe auch nicht zu Gewalt gegen Bevölkerungsteile auf. Damit sei der Rechtsweg ausgeschöpft, erklärte die Dortmunder Polizei am Dienstag. Dies müsse so akzeptiert werden.

«soko rechts» Daran arbeitet seit vier Jahren eine »Soko rechts« - mit ersten Erfolgen, wie Polizeipräsident Gregor Lange in den vergangenen Monaten mehrfach betonte. Rechtsextreme Gewalttaten seien seit Bestehen der Soko um 40 Prozent zurückgegangen. Weihnachtsdemos und Fackelmärsche vor Flüchtlingsunterkünften sind verboten. Wegen Körperverletzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Vereinigungen und wegen Skandierens antisemitischer Parolen wurden eine Reihe von Neonazis zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt.

Kritiker mahnen dennoch, dass Dortmund sich zu einem zentralen Ort der Neonaziszene entwickelt habe. Vor allem autonome Gruppen warnen, dass der Thor-Steinar-Laden mehr als nur ein Geschäft sei, sondern vielmehr ein Treffpunkt der Rechtsextremen. Am vergangenen Montag gab es einen Angriff auf das Geschäft, zwei Tatverdächtige warfen Feuerwerkskörper. Der Staatsschutz ermittelt.

Zudem fordern verschiedene Gruppen, die Montagsdemos der Nazis komplett zu verbieten angesichts möglicher fremdenfeindlicher Äußerungen. Die Polizei befasst sich derzeit mit israelfeindlichen Parolen von einer der Kundgebungen. Mittlerweile umfassen die Auflagen für die Demonstrationen 40 Seiten, wie die Polizeisprecherin erklärte.

initiativen Die fortwährenden Aktionen der Rechtsextremen stellen Initiativen wie den Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus, einem Bündnis von Kirchen, Vereinen und Organisationen, vor die Frage, ob er stets zum Gegenprotest aufrufen sollen. Denn es bestehe auch die Gefahr, auf diese Weise den Nazis viel zu viel Aufmerksamkeit zu verschaffen, gibt Sprecher Friedrich Stiller zu bedenken. Gleichwohl müsse aber auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus ein klares Zeichen für Toleranz und Vielfalt gesendet werden, betont der evangelische Pfarrer.

Ein deutliches Votum sprach der Rat der Stadt im vergangenen Monat aus, als er ein Verbot der Neonazigruppe »Combat 18« forderte und einen entsprechenden Appell an die NRW-Landesregierung richtete. Die auch in Dortmund aktive Gruppierung wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie soll an den NSU-Morden beteiligt gewesen sein, und der Mörder des hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke soll ihr angehört haben.

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