Nahost

Gefährliches Spiel

Votiert die Vollversammlung für die Ausrufung eines unabhängigen Staates, verliert die PLO ihren Beobachterstatus. Foto: imago

Deutschland hat sich entschieden. Die Bundesrepublik wird das
Anliegen der Palästinenser – die staatliche Anerkennung bei der UN-Generalversammlung am kommenden Dienstag in New York – nicht unterstützen. Deutschland zählt damit in Europa zu einer kleineren Gruppe von Staaten. Die Mehrheit hat sich entweder noch nicht endgültig festgelegt oder will für die Anerkennung stimmen.

Die deutsche Haltung ist richtig! Mit einseitigen Initiativen erreicht man nichts im nahöstlichen Friedensprozess. Und der Antrag ist gefährlich – sowohl für die Palästinenser als auch für die Israelis.

Für die Palästinenser birgt er Risiken, weil zwar in der UN-Vollversammlung eine Mehrheit für den Antrag auf die Ausrufung eines unabhängigen Palästinenserstaates zu erwarten ist, die Abstimmung über die UN-Mitgliedschaft des Palästinenserstaates aber im UN-Sicherheitsrat stattfinden muss. Und die USA haben schon jetzt angekündigt, dass sie das Anliegen dort mit ihrem Veto blockieren werden.

Budget Das wird bei den Palästinensern zu Reibereien führen, die sich auch – aber nicht nur – gegen Amerika richten werden. Hinzu kommt, dass die finanzielle Unterstützung, die derzeit von den Vereinigten Staaten an die palästinensische Autonomiebehörde fließt, auf der Kippe steht. Etwa die Hälfte des Budgets in Ramallah kommt aus den USA. Es gibt im Kongress ernst zu nehmende Bemühungen, die Finanzhilfe einzustellen: Die Republikaner, die dort über die Mehrheit verfügen, wollen das, und viele Demokraten auch.

Riskant ist das Vorhaben für die Palästinenser noch aus einem anderen Grund. Derzeit ist es nicht die Palästinensische Autonomiebehörde, sondern die PLO, die einen Beobachterstatus bei der UN hat. Wenn die Vollversammlung für eine Staatsgründung votiert, verliert die PLO ihren Status: Bewegung und Staat gleichzeitig geht nicht. Dann hätte sie ihre eigene Position erheblich geschwächt.

Und auch, wenn die UN für eine Staatsausrufung votiert, würde sich nichts ändern. Die israelische Besatzung bleibt, der Siedlungsbau bleibt. Die Frage der Grenzen des neuen Staates ist völlig offen. Das wissen die führenden palästinensischen Politiker, aber sie sagen es ihrer Bevölkerung nicht. Man hat ihnen eine Lösung, ja beinahe die Erlösung, versprochen. Und die gibt es nicht.

Hoffnungen Erst hieß es bei den Palästinensern, man setze auf Gewalt. Dann auf Verhandlungen mit Israel. Jetzt ruhen alle Hoffnungen auf den Vereinten Nationen. Aber das wird ebenso keine Lösung bringen. Ganz im Gegenteil.

Auch für Israel ist das Scheitern der Autonomiebehörde alles andere als ein Glücksfall. Sie wird sich, sollte die Staatsbildung nicht gelingen, vermutlich auflösen, so wurde es bereits angekündigt. Das hieße für Israel, dass es die besetzten Gebiete wieder unmittelbar selbst verwalten müsste, was sowohl mit enormen Kosten als auch mit einer sehr großen Verantwortung verbunden wäre. Und vermutlich neuen Terror zur Folge hätte.

Inzwischen ist es die palästinensische Polizei, die bereits mehrere terroristische Akte gegen Israel verhindern konnte. Auch das müsste Jerusalem dann wieder selbst in die Hand nehmen, was nicht immer gelingen wird. Zudem wird in letzter Zeit von einer friedlichen Intifada gesprochen – gewaltfreie Massenproteste und ziviler Ungehorsam wie in Indien zu Zeiten von Mahatma Gandhi. Auch das ist eine enorme Herausforderung für die israelischen Sicherheitsbehörden.

Wie könnte es im günstigsten Fall um die Nachbarschaft eines palästinensischen Staates und Israel stehen? Den Staat Israel selbst hat die PLO, genau wie Ägypten und Jordanien, längst anerkannt.

Friedensprozess Ein Verzicht auf die Anerkennung Israels als jüdischer Staat mag vielleicht ein Anlass sein, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Doch nur mit internationaler Unterstützung können sich beide Seiten aufeinander zubewegen. Und eigentlich geht es nur mit Unterstützung der USA.

Doch Ende 2012 sind dort Präsidentschaftswahlen, und Obamas Ziel ist die Wiederwahl. Da kümmert er sich gewiss nicht in erster Linie um die schwierigen Nahost-Verhandlungen. Auch die EU könnte eine wichtige Rolle spielen, aber dafür sind die Europäer mit ihrer Außenpolitik nicht kühn genug. Und im Nahen Osten sind sie es schon gar nicht.

Wenn man Israel Sicherheit garantiert – wie es etwa Präsident Sadat für Ägypten oder König Hussein für Jordanien getan haben –, dann wäre Jerusalem zu Zugeständnissen bereit. Aber heute liegt das Problem darin, dass die palästinensische Autonomiebehörde zu wenig Macht hat, um solche Garantien geben zu können. Mahmud Abbas verfügt gar nicht über die Mittel, um glaubwürdig Sicherheit garantieren zu können. Weder mit noch ohne staatliche Anerkennung. Also gilt auch in diesem Punkt: Die Zustimmung zum UN-Antrag wäre kontraproduktiv.

Der Autor war von 1993 bis 1999 Israels Botschafter in Deutschland und leitet heute das Zentrum für Europäische Studien in Herzliya.

Israel

Berichte: Netanjahu traf Blair heimlich zu Gaza-Zukunft

Bei einem Treffen zwischen Netanjahu und Blair soll es um Pläne für die Zukunft des Gazastreifens gegangen sein. Für Blair ist eine Rolle in Trumps »Friedensrat« vorgesehen

 07.12.2025

Justiz

Gericht bestätigt Verbot der Parole »From the river to the sea«

Ein von der Stadt Bremen erlassenes Verbot sei rechtmäßig, entschied nun das Verwaltungsgericht Bremen

 07.12.2025

Yad Vashem

Merz: »Wir werden die Erinnerung lebendig halten«

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche für Kanzler Merz. Der zweite Tag in Israel beginnt für ihn mit dem Besuch eines besonderen Ortes

 07.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 07.12.2025

Simi Valley

»Vorbildliche Verbündete«: Hegseth nennt Israel und Deutschland

Die Signale, die jüngst aus den USA in Richtung Europa drangen, waren alles andere als positiv. Der US-Verteidigungsminister findet nun allerdings nicht nur Lob für den jüdischen Staat, sondern auch für einige EU-Staaten

 07.12.2025

Soziale Medien

Musk nach Millionenstrafe gegen X: EU abschaffen

Beim Kurznachrichtendienst X fehlt es an Transparenz, befand die EU-Kommission - und verhängte eine Strafe gegen das Unternehmen von Elon Musk. Der reagiert auf seine Weise

 07.12.2025

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seiner Israel-Reise die enge Partnerschaft. Am Sonntag besucht er die Yad Vashem und trifft Premierminister Netanjahu

von Sara Lemel  07.12.2025 Aktualisiert

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025