Position

Für Frieden und Hamas

Aufgepasst, die Fraktion der Linkspartei im Bundestag erkennt fast einstimmig Israels Existenzrecht an. Foto: dpa

Wolfgang Gehrcke ist zufrieden. Mit Erfolg hat der 66-Jährige in der Bundestagsfraktion der Linkspartei ein Positionspapier eingebracht, das deren Haltung zum Nahostkonflikt formuliert. Autor sei vor allem Gregor Gysi, sagt Gehrcke. Mit dem Fraktionsvorsitzenden habe er lange an Formulierungen gefeilt. Gehrcke ist Obmann seiner Fraktion im Auswärtigen Ausschuss. Und er gilt vielen, spätestens nach dem Ausscheiden von Norman Paech aus dem Bundestag (»er vertritt ähnliche Positionen wie ich«), als Strippenzieher der Kreise in seiner Partei, die sich selbst »israelkritisch« nennen. In der Erklärung verlangt die Linke die Schaffung eines palästinensischen Staates, bekennt sich zum Existenzrecht Israels in den Grenzen von 1967, fordert den Stopp des Siedlungsbaus und »die Einbeziehung der Hamas in politische Gespräche«.

gegenstimme Was die Linke-Fraktion bei vier Enthaltungen und einer Gegenstimme der Abgeordneten Christine Buchholz beschlossen hat, findet auch die Zustimmung der israelfreundlichen Kreise der Partei. »Wir sind froh, dass es das Papier überhaupt gibt«, sagt Benjamin Krüger, Sprecher des BAK Schalom, und lobt zum Beispiel die Forderung nach einem israelisch-palästinensisch-deutschen Jugendwerk. Nicht einmal die Offerte an die Hamas stört BAK Schalom. »Dass die politischen Akteure im Nahen Osten miteinander sprechen müssen, ist nachvollziehbar«, sagt Krüger. »Anders ist es aber mit der Linken: Wir sind kein staatlicher Akteur, wir müssen mit der Hamas nicht reden, und wir sollten das auch nicht.« Das sieht Wolfgang Gehrcke anders. »Die Linke ist doch die einzige Bundestagspartei, die keinen Kontakt zur Hamas hat«, sagt er. »Niemand gibt die Beziehungen offiziell zu, aber man bekommt es mit. Natürlich wird die Linke auch den Kontakt mit der Hamas

Boykott In dem Positionspapier fällt auf, dass sich kein Wort über die umstrittenen Boykottaufrufe gegen israelische Waren findet. Für Martin Kloke, Politologe und Spezialist für das Thema Linke und Antisemitismus, ist das kein Zufall: «Da hat man sich vermutlich nicht einigen können.» Darauf angesprochen, sagt Gehrcke: «Ich lehne für die Linke die Forderung nach einem Boykott israelischer Waren ab.» Aber, fügt er hinzu: «Es gibt einige israelische Linke, die uns sagen: Doch, das ist eine Option.»

Gehrcke spielt auf einen offenen Brief an, den im März über 100 israelische Linke an seine Partei geschrieben haben. Sie kritisieren darin, dass der BAK Schalom «jedes militärische Vorgehen des Staates Israel unterstützt und militaristische und nationalistische Propaganda betreibt». Gehrcke hatte auf das Schreiben sofort begeistert geantwortet, das sei ein gutes Gesprächsangebot. Wenn sich die deutsche und die israelische Regierung zweimal jährlich träfen, sollten das die Linken auch tun.

wegbereiter Martin Kloke hält die Bedeutung der Linken – und nicht nur der Linkspartei – für die deutsche Nahostpolitik für eminent wichtig. Was sie diskutiert, reiche in die gesamtdeutsche Gesellschaft hinein. Gerade in der Nahostpolitik nimmt sie eine Art Vorreiterfunktion ein: «Das beginnt bei den 68ern, die Deutschland modernisiert haben: Von der SPD, den Grünen bis hin zu den Erneuerern in der CDU.»

Warum aber israelische Linke, zu denen auch der Soziologe Moshe Zuckermann gehört, sich ausgerechnet an die deutsche Linkspartei wenden, wenn sie Missstände in ihrem Land anprangern, warum sich 100 Israelis Gedanken über den BAK Schalom machen und sich als Veröffentlichungsort die Zeitung «Junge Welt» aussuchen, die stets von der «Tel Aviver Regierung» schreibt, ist unklar. In der Linkspartei erzählt man sich, der Brief sei lanciert worden: Israelkritiker hätten jüdische Stimmen gebraucht, die für sie heikle Themen wie Warenboykott ansprechen. Wolfgang Gehrcke sagt, von einer Lancierung wisse er nichts. Doch er fügt hinzu: «Natürlich fällt so ein Brief nicht vom Himmel.»

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert