Weimar

Für die Zukunft

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte ihn die Ratsversammlung als neuen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt. Diesmal konnte Dieter Graumann vor den Delegierten in Weimar nicht nur eine erste Bilanz seiner Arbeit ziehen, sondern zugleich auch einen ersten Erfolg seiner Bemühungen präsentieren: Die staatlichen Zuschüsse für die oberste Vertretung der Juden in Deutschland werden verdoppelt. In Abänderung des laufenden Staatsvertrages wird die Körperschaft ab 2012 von der Bundesregierung nicht mehr mit fünf, sondern mit zehn Millionen finanziert.

Dieter Graumann bezeichnete den Beschluss des Deutschen Bundestages als »einen der ganz großen Verhandlungserfolge in der gesamten Geschichte des Zentralrats«. Dies sei in absoluten Zahlen mit Abstand die größte Erhöhung der Finanzmittel, die es für die Organisation jemals gegeben habe.

Dieses Ergebnis sei unter erschwerten Bedingungen erreicht worden, trotz Schuldenbremse, Finanz- und Euro-Krise . »Umso schöner, dass es nun doch geglückt ist!« Ermöglicht habe dies eine zugleich günstige, fast singuläre politische Konstellation in Berlin: »Einige wenige prominente politische Akteure waren bereit, uns sehr zu helfen – dazu ein neuer Präsident, dessen neue, frische Linie in der deutschen Politik viele Türen, Köpfe und Herzen öffnete. Dieser besondere Mix hat uns eine einmalige Chance eröffnet.«

Perspektive Man verfüge jetzt »über mehr Mittel, um noch viel mehr zu tun«. Graumann sprach von einer neuen Ära für den Zentralrat, von »neuen Chancen, die wir nutzen wollen«. Die staatlichen Zuschüsse sollten es nun ermöglichen, einen »ganz neuen Zentralrat« zu bauen. Dieser solle das jüdische Kompetenzzentrum im Deutschland werden. Es gebe viele Bereiche, in denen man sich verbessern müsse, darunter die politische Arbeit, neue Medien, Jugendarbeit, Kultur und Bildung. »Der Zentralrat will einen Runden Tisch, eine Zukunftswerkstatt einrichten«, kündigte er an. Auch und vor allem für die Gemeinden solle nun mehr getan werden. Es gehe um »Professionalisierung, Intensivierung und Kompetenzzuwachs« der Arbeit.

Politik In seinem Bericht vor den knapp 80 Delegierten der Mitgliedsgemeinden thematisierte Graumann verschiedene aktuelle politische Fragen, die den Zentralrat zurzeit beschäftigen und in den vergangenen Monaten beschäftigt haben. Unter anderem verwies er auf die »muntere und temperamentvolle Debatte« über Antisemitismus in der Linkspartei. Insgesamt meinte Graumann: »Die politische Stellung des Zentralrats ist stark.«

Dabei wiederholte er noch einmal die Forderung nach einem Verbot der NPD. Er bezeichnete es als »Schande«, dass die NPD noch immer das Parteienprivileg genieße. »Die Todfeinde der Freiheit gehören nicht ins Parlament, sondern gehören verboten.« Den Opfern des Rechtsterrorismus gelte das Mitgefühl. Graumann betonte erneut: »Wir brauchen in Deutschland einen resoluten Ruck gegen Rechts.«

Gastredner Heinz Fromm, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, sagte: »Der Rechtsextremismus ist jünger, aktionsorientierter und militanter geworden.« Er bezeichnete es dennoch als zwingend, dass die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in den vergangenen Jahren in den Vordergrund getreten sei. »Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus war uns gleichwohl weiter bewusst.« In Bezug auf die rechtsextremistische Mordserie räumte Fromm ein, das Ausmaß der Gewaltbereitschaft unterschätzt zu haben. »Man hätte es durchaus besser wissen können.« Die Bekämpfung des Rechtsextremismus sei und bleibe eine Aufgabe für alle.

Jugendkongress Die Ratsversammlung fand in diesem Jahr erstmals gemeinsam mit dem Jugendkongress statt. Es gehe darum, so Graumann, »Köpfe und Herzen der jungen Menschen zu erreichen«. Er fühle sich nach zahlreichen Diskussionen und Gesprächen während des Jugendkongresses, der bereits am Donnerstag begann, bestärkt.

In einer Videobotschaft sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Ratsversammlung von einer »zukunftsorientierten und vitalen Gemeinschaft«, die dabei sei, noch stärkere Wurzeln zu schaffen und sich stärker zu vernetzen. In diesem Sinne gehe von der Veranstaltung in Weimar »ein starkes Signal aus«.

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 17.11.2025

Auszeichnung

»Fair auf Israel blicken, ohne Schaum vor dem Mund«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat den Augsburger Friedenspreis erhalten. In seiner Dankesrede warb er für einen unvoreingenommenen Blick auf den jüdischen Staat

 17.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  17.11.2025

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

USA

Kehrtwende? Trump empfiehlt Abstimmung über Epstein-Akten

Der Fall des Sexualstraftäters lässt den US-Präsidenten nicht los. Vor einer Abstimmung im Repräsentantenhaus gibt er einen überraschenden Rat an seine Partei

von Anna Ringle  17.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025