Nahost

Freunde auf Distanz

Unterschiedlicher Meinung: Benjamin Netanjahu und Barack Obama Foto: dpa

»Die Spannungen zwischen Amerika und Israel haben zugenommen, aber es ist nichts passiert, was eine drastische Veränderung herbeiführen wird«, beschwichtigt Oded Eran, früherer israelischer Botschafter in Jordanien, bei der Europäischen Union und ehemaliger stellvertretender Generaldirektor des israelischen Außenministeriums.

Selbst die Wahlkampfaussage von Benjamin Netanjahu, dass es mit ihm als Ministerpräsident keinen Palästinenserstaat geben wird, bewertet Eran im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen als nicht dramatisch. »Die Wortwahl war ungeschickt«, sagt der Senior Research Fellow des Instituts für Studien zur Nationalen Sicherheit in Israel. Aus seiner Sicht habe Netanjahu primär nach Wählerstimmen gefischt und dabei den Nebensatz »unter den aktuellen Umständen« nicht ausreichend betont. »Netanjahu ist ein Politiker wie viele andere, deren Hauptziel es ist, politisch im eigenen Land zu überleben und wiedergewählt zu werden – und Barack Obama wählt eben nicht in Israel.«

weisses haus Denis McDonough, Stabschef des Weißen Hauses, sieht die aktuelle Situation hingegen wesentlich kritischer. Der Obama-Vertraute sagte am Montag in Washington, er könne Netanjahus Ablehnung einer Zweistaatenlösung nicht einfach ignorieren. »Wir können ja nicht so tun, als ob das nie gesagt wurde«, so McDonough bei der Jahrestagung von J-Street, einer linksliberalen jüdischen NGO. Er halte die Versuche von Netanjahu, diese Worte zu relativieren, für fragwürdig. »Die Frage ist, wieweit man in Jerusalem wirklich an einer Friedenslösung durch direkte Verhandlungen interessiert ist?«

Netanjahus Äußerungen kurz vor der Knessetwahl waren in Washington als eine diplomatische Ohrfeige für den US-Präsidenten verstanden worden. »Obama würde niemals aufhören, sich für eine Zweistaatenlösung einzusetzen«, sagte McDonough.

klares denken James Baker, früherer Stabschef im Weißen Haus und Außenminister unter George H. W. Bush, rief nun sowohl Obama als auch Netanjahu dazu auf, die Meinungsunterschiede nicht weiter eskalieren zu lassen. »Es ist derzeit eine schwierige Situation im Nahen Osten«, sagte Baker und forderte »klares Denken« auf beiden Seiten.

Gleichwohl kritisierte Baker erstaunlich offen die mangelnden Fortschritte im Friedensprozess. »Nach der jetzigen Wiederwahl von Netanjahu scheinen die Chancen noch schlechter«, so Baker. Trotzdem betonte er, dass »niemand auf der ganzen Welt bezweifeln würde, dass Amerika zu Israel steht und immer stehen wird«.

Im gleichen Atemzug warnte Baker Netanjahu jedoch in unmissverständlichen Worten, dass dessen Standards für eine akzeptable Einigung in der iranischen Atomfrage »einfach unrealistisch« seien.

Das Thema Iran wird in diesen Tagen noch durch ein weiteres politisches Gewitter erschwert: Washington wirft Jerusalem vor, nicht nur Gespräche zwischen den USA und Iran belauscht, sondern die Informationen anschließend in den Verhandlungen gegen die USA eingesetzt zu haben.

»Es ist die eine Sache, wenn Israel und Amerika einander ausspionieren. Aber es ist eine andere Sache, wenn Israel amerikanische Geheimnisse stiehlt und später gegen US-Verhandler auf dem diplomatischen Parkett einsetzt«, so ein US-Sprecher. Viele Beobachter glauben, dass Israel damit eine Linie überschritten habe. Israels Außenminister Avigdor Lieberman wies am vergangenen Dienstag hingegen kategorisch jeden Vorwurf der Spionage zurück.

republikaner Während die demokratische Obama-Regierung zu unterschiedlichsten Anlässen in dieser Woche keinen Hehl aus den Meinungsverschiedenheiten machte, freute sich John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses, auf seinen Israelbesuch in der kommenden Woche. Der Republikaner hatte Netanjahu vor der Wahl nach Amerika eingeladen, wo der israelische Premier seine inzwischen berühmt-berüchtigte Rede gehalten hatte.

»Israel ist einer der wichtigsten Beteiligten im Nahostfriedensprozess, es ist eine natürliche Sache, dass ein Partner einen anderen Partner besucht«, kommentiert Oded Eran den Besuch Boehners in Israel. Ein zweiter Aspekt, den der israelische Politikexperte betont, ist, dass sich auch Amerika bereits im Vorwahlkampf befindet: »Boehner wird nicht der letzte Politiker sein, der Israel besucht und sich zu aktuellen Themen äußert.«

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