Ehrung

»Freund und Bruder«

Großer Moment: Salomon Korn, Rabbiner Henry G. Brandt, Nikolaus Schneider, Dieter Graumann und Josef Schuster (v.l.) Foto: Marco Limberg

Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, erhielt am vergangenen Donnerstag den Leo-Baeck-Preis. Es war das erste Mal, dass die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden in Deutschland im Rahmen des Gemeindetages verliehen wurde.

Zentralratspräsident Dieter Graumann nannte Schneider einen »Pionier der Partnerschaft mit dem Judentum«. Er setze sich seit mehr als 40 Jahren gegen die sogenannte Judenmissionierung ein, kämpfe konsequent gegen Antisemitismus und Rassismus und erhebe seine Stimme, wenn das Existenzrecht des jüdischen Staates infrage gestellt wird.

Ausdrücklich würdigte Graumann, dass Schneider während der Beschneidungsdebatte sofort und ohne einen Augenblick zu zögern die jüdische Position verteidigt habe. »Freunde erkennt man, wenn man sie braucht. Sie waren an unserer Seite, als wir Sie brauchten, das werden wir nie vergessen«, betonte Graumann. Für die Zukunft wünschten sich die Juden »mehr von dem, was Nikolaus Schneider präsentiert und repräsentiert in den Kirchen insgesamt«.

dialog Henry G. Brandt, Laudator und Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) in Deutschland, gratulierte dem Zentralrat zu seiner Entscheidung: »Sie hätten keinen besseren Preisträger finden können und keine bessere Zeit.« Gerade 75 Jahre nach der Pogromnacht sei der christlich-jüdische Dialog von großer Bedeutung. Der Zentralrat habe dies begriffen und mit seiner Entscheidung bewiesen, dass er nicht vergangenheitsfixiert sei. »Wenn man heute sät, erntet man in der Zukunft.« Der Rabbiner nannte Schneider seinen »Freund und Bruder«, der als Christ verstanden habe, dass Israel weder »verworfen« noch »enterbt« und die Kirche nicht an die Stelle, sondern an die Seite Israels getreten sei.

In seiner anfangs sehr persönlich gehaltenen Rede sagte Schneider, es gebe Momente im Leben, in denen er sich frage: »Meinen die wirklich dich?« Die Auszeichnung sei für ihn eine »hohe Ehre«. Als Theologe und Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland wisse er, wie »unersetzlich« das Gespräch mit Leo Baeck und seinem Erbe für die Christen bis heute sei, sagte Schneider. Für ihn sei es nach der Schoa ein »unverdientes Geschenk des Himmels«, dass Baeck und später andere Juden damals und bis heute nicht davon abgelassen hätten, Christen immer wieder die Hand zu reichen.

judenmission Ausdrücklich erneuerte der 67-Jährige seine Absage an die Judenmission. Er hoffe, dass »wir als Evangelische Kirche hier tatsächlich auf einem guten Weg sind. Ich habe unser Nein zur Judenmission immer wieder unmissverständlich formuliert«.

Die Evangelische Kirche in Deutschland stehe an der Seite des Zentralrats im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus sowie im gemeinsamen Einsatz für das Lebensrecht des Staates Israel: »Das bedeutet, wie ich immer wieder betont habe, kein unkritisches Mitgehen mit allen politischen Entscheidungen der jeweiligen Regierung. Aber es bedeutet ein unter allen Umständen solidarisches Zusammenstehen, wo der jüdische Staat in seiner Existenz infrage gestellt wird.« Seine Rede schloss Schneider mit den Worten: »Friede sei mit euch allen, veal kol Israel.«

Unter den Gästen der Preisverleihung, der ein Gala-Dinner folgte, waren CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Die Grünen) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Der Botschafter des Staates Israel, Yakov Hadas-Handelsman, sagte, für die Zukunft wünsche er sich eine »noch engere Kooperation zwischen dem Zentralrat und der Botschaft«. Im Jahr 2015 jährten sich die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zum 50. Mal: »Schon heute möchte ich Sie alle ermuntern, sich bei diesem Jubiläum persönlich einzubringen.«

Warnungen Moshe Kantor, Präsident des European Jewish Congress, nutzte seine Rede, um auf die Gefahren für Juden weltweit hinzuweisen. »Der Iran stellt eine reale Bedrohung des Weltfriedens und eine substanzielle Bedrohung für den jüdischen Staat dar«, so Kantor.

Die jüngste Antisemitismusstudie der EU liefere ein alarmierendes Bild von den Sorgen und Ängsten der jüdischen Bürger in Europa, so Kantor weiter: »Wenn Griechenland die EU-Präsidentschaft übernimmt«, müsse sein Premierminister Antonis Samaras »mutige Schritte unternehmen, um mit den Nazis in seinem Land fertigzuwerden«. Und an die Gemeindetagsteilnehmer appellierte Kantor: »Nach 1000 Jahren in Deutschland: Wachst weiter und baut weiter auf – als stolze Juden!«

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025