Nachruf

Ex-Kommunist, Journalist, Regierungssprecher

Immer professionell: Klaus Bölling Foto: dpa

»Wir Journalisten trugen die deutsche Schuld mit nach Jerusalem«, erinnerte sich Klaus Bölling. 1961 berichtete er für den WDR vom Prozess gegen Adolf Eichmann. Unwohl habe er sich als Deutscher gefühlt, sagte er später.

Es war nicht nur journalistisches Interesse, das ihn antrieb. Böllings Mutter war aufgrund einer Denunziation nach Theresienstadt gekommen, einer Deportation nach Auschwitz war die Jüdin knapp entgangen. Sie überlebte die Schoa schwer krank. »Ich habe nicht gewusst, dass er einen jüdischen Hintergrund hatte«, sagt Böllings Weggefährte Egon Bahr, von dem auch nur wenige wissen, dass er eine jüdische Mutter hatte.

1928 war Klaus Bölling in Potsdam zur Welt gekommen, sein Vater war ein höherer Beamter, preußisch korrekt, in der Nazizeit stand er zu seiner Frau. Verhöre der Gestapo hielt er aus, die Entlassung aus dem Staatsdienst nahm er hin.

Vertreter 1945, mit 18 Jahren, trat Bölling in die KPD ein. Nicht, weil er den Sozialismus für die Zukunft hielt, sondern »weil meine Mutter denunziert worden ist«. Er war überzeugt: »Die Kommunisten sind die, die am entschiedensten das, was noch an Nazistrukturen in Deutschland ist, einfach wegschaffen.«

Als Jungkommunist studierte Bölling an der Ost-Berliner Humboldt-Universität, bei einer FDJ-Zeitung wurde er Redakteur. Seine Chefs dort waren Erich Honecker, Heinz Keßler und Paul Verner, allesamt später hohe DDR-Funktionäre, denen Bölling als Ständiger Vertreter der Bundesregierung in der DDR in Zukunft öfter begegnen sollte.

Bölling ließ bald vom Kommunismus ab. In West-Berlin wurde er der erste Volontär des »Tagesspiegel«, später ging er zum RIAS, wo Egon Bahr Chefredakteur war. »Alle wollten nach vorne blicken«, begründete er seinen Enthusiasmus, »auch gerade die, die zu leiden gehabt haben, wie meine Mutter.« Bölling machte Karriere: Vom RIAS ging er zum WDR, dann zum NDR, für den er das Konzept des »Weltspiegel« entwickelte. Er wurde Leiter des ARD-Studios in Washington.

Popstar Dann bekam er einen Anruf von Helmut Schmidt, der aus dem recht bekannten Journalisten schon fast so etwas wie einen Popstar machen sollte. »Klaus, ich brauche Sie in Bonn«, soll Schmidt gesagt haben, als er Bölling zum Regierungssprecher machte. Der smarte und gutaussehende Bölling definierte die Öffentlichkeitsarbeit neu: Er mischte sich in die Politik ein, wirkte auch im engsten Kreis. Einer seiner Nachfolger im Amt, Peter Boenisch, der für Helmut Kohl arbeitete, nannte Bölling den »besten Regierungssprecher aller Zeiten«.

Das war er auch, als die Zeiten schwierig wurden: 1977 entführten arabische Terroristen die Lufthansa-Maschine »Landshut«; Bölling hatte Kontakt zu den Terroristen, arbeitete im Krisenstab, stellte sich der Presse: übernächtigt, aber professionell.

Charmant 1981 berief Helmut Schmidt Bölling als Nachfolger von Günter Gaus zum Ständigen Vertreter der Bundesrepublik in der DDR. Dort wirkte er, wie er als Regierungssprecher gewirkt hatte: diskret, charmant und mit kleinen Gesten große Botschaften verbreitend. Zum Ende der sozialliberalen Koalition, 1981/82, wurde Bölling ein zweites Mal Regierungssprecher, wissend, dass es nicht mehr lange gehen würde. Dies war der letzte ganz große Auftritt von Klaus Bölling. Von da an warf er sich als Publizist in politische Debatten.

In Böllings Arbeitszimmer in Berlin hingen Fotos, die ihn mit den Großen der Weltgeschichte zeigten: dem Papst, Mao, auch mit Yitzhak Rabin. Am Sonntag ist Klaus Bölling im Alter von 86 Jahren verstorben.

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  02.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 02.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert