Europäische Union

»Europa lässt seine jüdische Gemeinschaft im Stich«

Die bessere Bekämpfung des Antisemitismus ist ein Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020. Foto: imago

Der Direktor der Europäischen Grundrechteagentur (FRA), Michael O’Flaherty, hat mit drastischen Worten davor gewarnt, dass jüdisches Leben aus Europa ganz verschwinden könnte. In einem Gastbeitrag für die Nachrichtenseite »Euractiv« schrieb der Ire am Montag: »Wenn Europa seine jüdische Gemeinschaft weiter im Stich lässt, riskiert es, sie zu verlieren. Dann wird das gesamte europäische Projekt gescheitert sein.«

DATENMANGEL Im Zuge der Corona-Krise würden Juden beschuldigt, das Virus in die Welt gesetzt zu haben, um daraus Profit zu schlagen. Es gebe gegenwärtig eine »antisemitische Welle, die über den Kontinent schwappt«, so der Direktor der in Wien ansässigen FRA, die sich unter anderem für den Schutz der Minderheitenrechte in der EU stark macht.

O’Flaherty kritisierte, dass nicht genügend Daten aus den 27 EU-Mitgliedsstaaten geliefert würden, um das tatsächliche Ausmaß des Antisemitismus abzuschätzen. Daran habe sich in 16 Jahren nichts geändert, kritisierte er. Jedes Land erhebe unterschiedliche Daten und verwende unterschiedliche Methoden. Einige seien komplett untätig, und nur wenige hätten bereits Strategien oder Aktionspläne gegen den Judenhass ausgearbeitet.

»Wir wissen, dass wir ein ernstes Problem haben, aber wir wissen nicht, wie groß es wirklich ist«, schrieb O’Flaherty. Das sei einer der Gründe, warum die Antworten Europas auf den wachsenden Antisemitismus bisher nicht wirksam gewesen seien. Ressentiments gegen Juden seien in den europäischen Gesellschaften tief verwurzelt, und Umfragen hätten wiederholt gezeigt, dass sich zum Beispiel viele Menschen nicht wohl dabei fühlen würden, einen Juden als Nachbarn zu haben, so O’Flaherty.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zudem bestehe eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Antisemitismus in der Allgemeinbevölkerung und bei jüdischen Menschen selbst. Über antisemitische Vorfälle werde in den Medien auch wenig berichtet. O’Flaherty forderte, die Meldung und die Untersuchung antisemitischer Vorfälle zu fördern.

EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT Aus einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur aus dem Jahr 2018 geht hervor, dass drei von vier der befragten Juden in Deutschland (75 Prozent) auf das Tragen jüdischer Symbole wie etwa der Kippa in der Öffentlichkeit verzichten; dies gelte »manchmal, häufig oder immer«. 46 Prozent vermeiden es nach eigenen Angaben, »gewisse Gegenden« aufzusuchen.

Vergangene Woche fand in Berlin eine Konferenz unter dem deutschen EU-Ratsvorsitz statt, bei der Strategien gegen den Antisemitismus diskutiert wurden. Der EU-Ministerrat hatte im Dezember 2018 alle Mitgliedsstaaten der Union aufgefordert, nationale Aktionspläne und Strategien im Kampf gegen den Judenhass vorzulegen. Nach Informationen dieser Zeitung sind dieser Aufforderung aber bislang weniger als ein Dutzend EU-Staaten nachgekommen. mth

USA

82-Jährige stirbt nach Angriff von Boulder

Die Frau erlag ihren schweren Verletzungen. Die Anklage gegen den Täter soll nun erweitert werden

 01.07.2025

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Debatte

Anti-Israel-Parolen: USA entziehen britischer Band Visa

Ein britischer Festivalauftritt mit israelfeindlichen Parolen wird live von der BBC übertragen. Der Sender steht unter Druck – und die USA kündigen an, der Band die Einreise zu verweigern

 30.06.2025

Interview

Nuklearforscher: »Das iranische Atomprogramm neu aufzubauen, wird Jahre dauern«

Georg Steinhauser über die israelischen und amerikanischen Schläge gegen Atomanlagen im Iran, die Eigenschaften von Uran-235 und mögliche Szenarien für die Zukunft

von Michael Thaidigsmann  30.06.2025

Israel

Früherer Geheimdienstchef der israelischen Armee: Jerusalem musste das Atomprogramm der Mullahs stoppen

Im Juni 1981 war Amos Yadlin an der Zerstörung von Saddam Husseins Kernreaktor beteiligt. Nun hat er ausführlich über Israels Präventivschlag gegen das Mullah-Regime und den angeblichen »Völkermord« in Gaza Auskunft gegeben

von Imanuel Marcus  30.06.2025 Aktualisiert

Drohung

Iranische Zeitung fordert Todesstrafe gegen IAEA-Chef Grossi

Das staatliche Propagandablatt wirft Rafael Grossi vor, für Israel spioniert zu haben

 30.06.2025

Düsseldorf

Islamistischer Tiktok-Star gesteht Spendenbetrug

Der Islamist »Abdelhamid« hat unter seinen Followern Spenden »für Palästina« gesammelt und diese dann unter anderem für einen BMW ausgegeben. Das gestand er nun vorm Düsseldorfer Landgericht

von Martin Höke  30.06.2025

Düsseldorf

NRW: Zahl antisemitischer Straftaten gestiegen

Fast 700 Fälle wurden im vergangenen Jahr registriert - ein Zuwachs von 27 Prozent

 30.06.2025

Uni Duisburg

Online-Mahnmal gegen Schändung jüdischer Friedhöfe gestartet

Die Universität Duisburg-Essen hat ein Online-Projekt zum Schutz jüdischer Friedhöfe vorgestellt. Grundlage dafür ist eine interaktive Karte

von Raphael Schlimbach  30.06.2025