Interview

»Etliche Täter leben noch«

Efraim Zuroff Foto: Marco Limberg

Herr Zuroff, das Wiesenthal-Zentrum hat deutsche Behörden auf 80 Mitglieder der berüchtigten »Einsatzgruppen« hingewiesen. Was versprechen Sie sich davon?
Die Frage ist, wie die deutschen Behörden den Vorgang beschleunigen können, Kriegsverbrecher anzuklagen. Hat das Innenministerium oder auch die Zentralstelle in Ludwigsburg Personal, das daran arbeitet, diese Leute ausfindig zu machen? Ich vermute – wenigstens hoffe ich –, dass der Leiter der Zentralstelle, Kurt Schrimm, die Namen hat.

Wissen Sie, ob diese Menschen noch leben und vor Gericht gestellt werden können?
Wegen der Datenschutzgesetze können wir den Ministerien nicht sagen, ob diese Leute noch leben. Das können nur die Behörden wissen. Meine persönliche, nicht wissenschaftliche Einschätzung ist: Zwei Prozent der Menschen, die Schoa-Verbrechen begangen haben, sind noch am Leben. In diesen Einsatzgruppen waren 3000 Menschen. Die Hälfte von diesen zwei Prozent könnten für einen Prozess nicht mehr gesund genug sein. Aber 30 von ihnen könnte man noch vor Gericht stellen.

Die Listen sind dem Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium zur Strafverfolgung übergeben worden. Wie haben die Behörden reagiert?
Es gab schon vorher eine Reaktion von Bundesjustizminister Heiko Maas, der sagte, dass er dieses Thema als einen Punkt auf dem Treffen der Justizminister aller Bundesländer im Herbst ansprechen wolle. Das ist ein sehr neutrales Statement. Wie wichtig das Thema bei diesem Treffen wird, kann ich nicht sagen.

Und was erfahren Sie von der Zentralstelle?

In diesem Fall mit einer Behörde zusammenzuarbeiten, ist eine Einbahnstraße. Sie nimmt gerne Informationen entgegen, erzählt uns aber nichts. Das ist übrigens nicht nur in Deutschland so.

Die Einsatzgruppen galten als Mordkommandos. Können deren Mitglieder verurteilt werden, selbst wenn ihnen die Beteiligung an einer konkreten Tat nicht nachgewiesen werden kann?
Infolge des Demjanjuk-Prozesses wurde die Strategie für die Verfolgung von Nazi-Verbrechern geändert. Bis dahin musste einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher nachgewiesen werden, dass er ein Verbrechen verübt hatte. Demjanjuks Fall wurde allein wegen seiner Tätigkeit als Wärter im Todeslager von Sobibor aufgebaut, denn er hatte sich dadurch der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Die Ankläger schlossen daher, dass nicht nur die, die in Sobibor tätig waren, angeklagt werden können, sondern auch all jene, die in einem Todeslager und bei den Einsatzgruppen waren.

Wie hilfreich war Ihre Kampagne »Operation Last Chance« im vergangenen Jahr?
Wir haben Hunderte Namen erhalten, aber keiner davon war aus Auschwitz. Im Endeffekt haben wir den Anklägern vier Fälle übergeben. Wir sind auf Informationen aus der Öffentlichkeit angewiesen.

Mit dem Direktor des Jerusalemer Simon Wiesenthal Center sprach Katrin Richter.

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025