Berlin

»Es brodelt immer irgendwo«

Aaron Eckstaedt Foto: Rolf Walter

Herr Eckstaedt, wie viele Schüler wechseln wegen antisemitischer Vorfälle wie in Friedenau ans Jüdische Gymnasium?
Es sind etwa sechs bis acht Schüler pro Jahr, die zu uns kommen und von ähnlichen Vorfällen berichten. Die Zahl ist seit Jahren konstant.

Was haben die Kinder vorher erlebt?
Es gab Fälle, in denen Schüler etwa Referate zum Judentum und zu jüdischen Feiertagen hielten und sich damit als Juden zu erkennen gaben – das zog Bemerkungen mit mobbendem Charakter nach sich. Wer so etwas erlebt hat, will oft nicht mehr in die Klasse zurück.

Wie fangen Sie diese Schüler auf?

Wir haben den großen Vorteil, dass wir eine Privatschule sind. Das heißt, ich kann den Kindern sofort sagen: »Wenn es euch in der Klasse schlecht geht, fangt morgen bei uns an.« Das geht von einem Tag auf den anderen, auch mitten im Schuljahr. Nach einigen Probetagen kann dann sofort ein Schulvertrag mit der Jüdischen Gemeinde geschlossen werden.

Dennoch gibt es auch an anderen Schulen jüdische Schüler. Der Friedenauer Direktor sagte uns, seine Schule habe »keine Erfahrung mit jüdischen Schülern, die wie der 14-Jährige offen mit ihrer Religion umgehen«. Wie bewerten Sie diese Aussage?
An einer Schule mit mehrheitlich arabischen und türkischen Kindern sagt ein jüdisches Kind nicht laut, dass es jüdisch ist. Im Schulausschuss der Jüdischen Gemeinde war es kürzlich Thema, dass wir es im Moment mit einem sich manifest äußernden Antisemitismus von Schülern arabischer Herkunft zu tun haben. Das ist in fast allen Fällen so, von denen uns berichtet wurde. Diese Feindschaft basiert auf Nichtwissen und Vorurteilen. Ein Schüler allein ist überfordert damit, das in seiner Klasse zu ändern. Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem.

Die Schüler werden vor allem von ihren Eltern erzogen. Welche Möglichkeiten haben Schulen, sie zu beeinflussen?
Wer, wenn nicht die Schulen? Unser Bildungsauftrag lautet: erziehen und unterrichten. Das Erziehen steht dabei an erster Stelle. Da geht es um Erziehung zu Mündigkeit, Demokratie und Toleranz. Das ist unsere Kernaufgabe. Jede Unterrichtsstunde, Klausur, Arbeit muss diese Ziele enthalten. Man muss die Klasse, soziale Kompetenzen, das Team und das Bewusstsein von Vielfalt stärken und damit didaktisch-methodisch arbeiten.

Wo sehen Sie mehr Handlungsbedarf, bei der Politik oder den Schulen?
Die Schule wird nicht selten institutionell überfordert: Sie soll alles lösen, was die Gesellschaft nicht lösen kann. Es brodelt immer irgendwo. Wenn so etwas passiert, gibt es einen offiziellen Notfallplan des Berliner Senats. Es ist wichtig, möglichst schnell zu reagieren und die entsprechenden Schritte einzuleiten. Zuerst schütze ich das Opfer, dann schalte ich andere Stellen ein wie Klassenlehrer, Schulpsychologen, Klassenkonferenz, Schulaufsicht, Antidiskriminierungsstelle. Präventivmaßnahmen reichen da nicht mehr aus.

Mit dem Schulleiter des Jüdischen Gymnasiums Berlin sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025