Einspruch

Eine Chance für Gauck

Dass Bundespräsident Joachim Gauck so kurz nach seinem Amtsantritt Israel besucht, ist ein starkes Signal. Mit der Ende Mai anberaumten Reise kann er nicht zuletzt die von einigen eifernden »Antifaschisten« gestreute Verdächtigung ad absurdum führen, sein Einsatz für das Gedenken an die Verbrechen des Kommunismus impliziere eine Relativierung des Holocaust.

Das Gegenteil trifft zu: Nur wer die Gesamtheit totalitärer Massenvernichtung im 20. Jahrhundert in den Blick nimmt, kann die Singularität des NS-Judenmords wirklich ermessen. Dass Gauck sich dem Gedenken an totalitäres Unrecht aus existenzieller Erfahrung verpflichtet fühlt, könnte dem hierzulande zur floskelhaften Pflichtübung erstarrenden Erinnern an die Schoa neue Impulse geben.

U-Boote Ob man aus der Geschichte des eliminatorischen Antisemitismus tatsächlich Lehren gezogen hat, erweist sich heute freilich am Einstehen für die Sicherheit Israels. Gauck sollte bei seinem Besuch deutliche Worte gegen Günter Grass’ perfide Unterstellung finden, die israelische Demokratie, nicht aber das mörderische iranische Regime, bedrohe den Weltfrieden. Der Bundespräsident täte gut daran, sich ausdrücklich auch zur militärischen Unterstützung Israels – etwa durch die von Grass denunzierte Lieferung deutscher U-Boote – zu bekennen. Hilft doch die Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeit dem Überleben des jüdischen Volkes mehr als manche schamerfüllte Sonntagsrede über die deutsche Vergangenheit.

Wie mittlerweile für deutsche Politiker obligatorisch, wird Gauck seine Israel-Reise mit einem Besuch der Palästinensergebiete verbinden. Um diesem Ritual den Geruch der Gleichsetzung zu nehmen, könnte er dort einmal die unterdrückerischen Strukturen der palästinensischen Selbstregierung ansprechen. Und anmahnen, dass Israel und seine freiheitliche Gesellschaft dem künftigen Palästinenserstaat eher als Vor- denn als Feindbild dienen sollten.

Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und »Welt am Sonntag«.

Gedenken an Hamas-Massaker

»Wir sind immer noch erschüttert«

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am Montagabend bei einer Gedenkveranstaltung in Hamburg

 07.10.2024

Amsterdam

Antisemiten wollen Massaker-Gedenken stören

Dutzende von ihnen wurden festgenommen

 07.10.2024

Gedenken an 7. Oktober

Steinmeier kritisiert israelische Kriegsführung

Der Bundespräsident sagte, der Kampf gegen die Hamas habe bereits zu viele Menschenleben gekostet

 07.10.2024

Antisemitismus

Opfer des 7. Oktober waren an Unis »nicht der Rede wert«

Die Massaker der Hamas führten zu »brutaler Einsamkeit« von Juden, erklärte Doron Kiesel

 07.10.2024

Berlin

Ron Prosor: 7. Oktober ist ein schwerer Tag für Israel

Jubel für die Taten der Hamas auch auf deutschen Straßen nennt der israelische Botschafter »unmenschlich«

 07.10.2024

Meinung

Das Tremolo der Besserisraelis

Friedensengel Nasrallah, Kriegstreiber Netanjahu? Die deutsche Berichterstattung über den 7. Oktober und den Nahostkonflikt wird journalistischen Standards allzu oft nicht gerecht

von Michael Thaidigsmann  07.10.2024

Frankfurt am Main

»Propalästinensische« Demo darf stattfinden

Die Stadt kann das Urteil nicht mehr anfechten

 07.10.2024

Berlin

Scholz lässt gelbe Schleife ans Kanzleramt hängen

»Wir fühlen mit euch«, verspricht der Kanzler den Familien der Hamas-Geiseln

von Imanuel Marcus  07.10.2024

Berlin

Ein Jahr Ausnahmezustand

Der Zentralrat der Juden stellte heute das neue Lagebild zu den Auswirkungen des 7. Oktobers vor - mit alarmierenden Ergebnissen

 07.10.2024