Interview

»Ein bisschen fernsehen«

Rabbiner Walter Rothschild Foto: Mike Minehan

Interview

»Ein bisschen fernsehen«

Walter Rothschild über jüdisches und christliches Neujahr, Böller und Beschneidung

von Ayala Goldmann  19.12.2014 16:38 Uhr

Herr Rabbiner Rothschild, das jüdische Neujahrsfest haben wir schon im September gefeiert. Trotzdem sei die Frage erlaubt: Was machen Sie an Silvester?
Ich werde bei meiner Mutter in England sein und wahrscheinlich ein bisschen fernsehen. Sonst nichts. Auch in meiner Kindheit wurde der Tag nie gefeiert. Das einzig Besondere: Am Silvesterabend gab es bei uns zu Hause immer Eierlikör.

Was würden Sie unternehmen, wenn Sie in Ihrem Wohnort Berlin bleiben würden?
Ich persönlich kaufe kein Feuerwerk, aber ich laufe herum und schaue, was auf den Straßen los ist. Nicht immer mit guter Laune.

Warum nicht?
Das ist doch totale Geldverschwendung. Millionen werden verpulvert, und es fehlt an Geld für viel wichtigere Dinge. Aber andererseits kann man Silvester auch nicht völlig ignorieren. Wir leben in einer säkularen Gesellschaft. Das Jahr 2015 beginnt, die Jahreszahl auf unseren Computern, Kalendern und Fahrplänen ändert sich. In Wien, wo ich auch eine Gemeinde betreue, gehen alle, die sich in der Gesellschaft sehen lassen wollen, zum Silvesterkonzert – auch wenn sie die Musik nicht hören wollen.

Der jüdische Fastentag des 10. Tewet fällt in diesem Jahr auf den 1. Januar. Verzichten Sie aufs Essen und Trinken?
Nein, der 10. Tewet gehört nicht zu den Fastentagen, die ich halte. Aber viele fromme Juden fasten am 10. Tewet, um der Belagerung Jerusalems durch die babylonische Armee 588 v.d.Z. zu gedenken. Und das nur gut eine Woche, nachdem sie ausgiebig den Sieg der Makkabäer über Antiochus IV. gefeiert haben. Vielleicht ist das kein Zufall – am 10. Tewet können sie vielleicht ein paar Gramm abnehmen, die sie an Chanukka durch Latkes und Sufganiot zugelegt haben! Übrigens ist den meisten Menschen gar nicht mehr bewusst, dass zahlreiche christliche Konfessionen in der Nacht zum 1. Januar auch die Circumcisio Domini feiern – die Beschneidung Jesu am achten Tag nach seiner Geburt. In mehreren europäischen Kathedralen werden bis heute angebliche Teile seiner Vorhaut als Reliquie verehrt.

Hat Rosch Haschana mehr Sinn und Tiefe als Silvester?
An Silvester bestimmen Böller und Alkohol die Feierlichkeiten: Schall und Rauch. Rosch Haschana dagegen ist ein Tag der Umkehr und der tiefsinnigen Gedanken. Ausgiebiges Trinken ist bei uns Juden erst wieder an Purim angesagt. An Rosch Haschana ziehen wir eine Bilanz des vergangenen Jahres, wir denken über unser Schicksal und den Sinn des Lebens nach. Das Judentum ist eine GmbH – ein »Glaube mit beschränkter Hoffnung«. Wir blicken besorgt in das neue Jahr hinein und fragen uns, ob es irgendwie besser sein wird als das vergangene. Oder zumindest nicht schlimmer ... Wollen wir jedenfalls darauf hoffen! Und auch, wenn ich nicht Silvester feiere, wünsche ich meinen nichtjüdischen Mitbürgern Prosit Neujahr – oder Schana Towa!

Mit dem Landesrabbiner von Schleswig-Holstein sprach Ayala Goldmann.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  04.05.2025

Brandenburg

1200 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Ravensbrück

28.000 Menschen wurden in dem Konzentrationslager während der Schoa getötet

 04.05.2025

Umfrage

48 Prozent der Deutschen für AfD-Verbot

61 Prozent der Befragten halten die Partei außerdem für rechtsextrem

 04.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025

Interview

»Deutschlands Vorbildrolle steht radikal infrage«

Oliver von Wrochem über 80 Jahre Kriegsende, eine stärker werdende AfD und NS-Gedenkstätten als gesellschaftspolitische Akteure

von Sebastian Beer  02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schritt des Verfassungsschutzes, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen

von Anne-Beatrice Clasmann  02.05.2025