Meinung

Dumm, antisemitisch oder beides?

Michael Wolffsohn Foto: ddp

Meinung

Dumm, antisemitisch oder beides?

Wie der Historische Beirat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin eine Gedenktafel verhindern wollte

von Michael Wolffsohn  17.05.2016 14:15 Uhr

Gibt es deutsche Historiker, die NS-Opfer mit NS-Tätern verwechseln? Ja, sie sitzen im Historischen Beirat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Darum geht es: Das Berliner Varieté »Scala« war in der Weimarer Republik weltberühmt. Alles, was in der damaligen Unterhaltungswelt Rang und Namen hatte, gastierte dort. Die Scala wurde 1919 von zehn Juden – darunter mein Großvater Karl Wolffsohn – gegründet und 1933/34 von den Nazis »arisiert«. Besonders hervorgetan hatte sich dabei die Dresdner Bank, und die SA hatte gewalttätig nachgeholfen. 1943 wurde die Scala zerstört.

Die »arischen« Privatprofiteure haben das Grundstück 1965 mit Gewinn verkauft. Die enteigneten Juden wurden nie entschädigt. Im Gegenteil: Im Wiedergutmachungsprozess, den Karl Wolffsohn und sein Sohn Max von 1949 bis 1962 führten und zum Bundesgerichtshof trugen, wurden sie verurteilt, die Dresdner Bank wegen ihrer Kreditausfälle zu entschädigen. Auch die gesamten Rechtskosten sollten sie zunächst tragen – nebst Honorar des Bankanwalts. Es war derselbe, der die Arisierung über die NS-Unrechtsbühne gebracht hatte.

bewilligung Am ehemaligen Standort der Scala jetzt eine Gedenktafel anzubringen, schien mir sinnvoll. Folgender Vorschlag war mit dem heutigen Eigentümer des Gebäudes, dem Filmproduzenten Artur Brauner, abgestimmt: »Hier stand das 1919 gegründete und 1943 im Krieg zerstörte weltberühmte Varieté SCALA. Die jüdischen Eigentümer wurden 1933/34 von den Nazis enteignet. Weder die Eigentümer noch ihre Nachfahren erhielten je irgendeine Entschädigung.«

Zuständig für die Bewilligung ist die Historische Kommission zu Berlin, es entscheidet jener Historische Beirat. Der kam zu dem Ergebnis, diese Tafel nicht zu befürworten: »Da die Rolle des Varietés in der Zeit des Nationalsozialismus kritisch beleuchtet und umfassend thematisiert werden müsste«, tauge eine Tafel »nicht als geeignetes Medium«.

Wie bitte? Nicht der Rolle der Scala im Dritten Reich, sondern der NS-Verbrechen im Bereich der Scala soll gedacht werden. Sind diese Historiker dumm, antisemitisch oder beides? Michael Müller, der Regierende Bürgermeister, hat sich vergangene Woche über das Votum jener »Wissenschaftler« hinweggesetzt. Vernunft und Wissen hängen – gottlob! – nicht von Wissenschaftlern ab.

Der Autor ist Historiker in München. Demnächst erscheint »Zivilcourage. Wie der Staat seine Bürger im Stich lässt« (dtv).

Judenhass

AJC Berlin: »pro-palästinensische« Demos erinnern an Querdenker

Israelfeindliche Demonstranten und Querdenker? Aus Sicht des Direktors des American Jewish Committee gibt es da durchaus Gemeinsamkeiten. Was er jetzt von der deutschen Zivilgesellschaft erwartet

von Johannes Peter Senk  14.07.2025

Berlin

Lahav Shapira verklagt FU: Prozess beginnt Dienstag

Der attackierte Student wirft seiner Universität vor, zu wenig gegen Antisemitismus auf dem Campus getan zu haben

 14.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Israelfeindliches Protestcamp im Regierungsviertel muss umziehen

Als Alternativstandorte wurden den etwa 60 Bewohnerinnen und Bewohnern der Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof oder eine Wiese im Tiergarten hinter dem Haus der Kulturen der Welt angeboten

 14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Dänemark

Mullah-Spion nach Deutschland überstellt

Der 53-jährige Däne mit afghanischen Wurzeln soll für den Iran jüdische und pro-israelische Ziele in Berlin ausspioniert haben

 14.07.2025

Essay

Wie es zur Katastrophe von Srebrenica kam

Vor 30 Jahren wurden 8372 Bosniaken ermordet - es war der erste Genozid in Europa seit der Schoa

von Alexander Rhotert  14.07.2025

Baden-Württemberg

Schoa-Relativierung vor Kirche in Langenau

Weil ein Pfarrer die Massaker vom 7. Oktober verurteilte, steht er im Visier israelfeindlicher Aktivisten. Zur jüngsten Kundgebung reiste auch Melanie Schweizer an

von Michael Thaidigsmann  14.07.2025

Berlin

Linke und Wegner streiten um israelische Flagge vor Rotem Rathaus

Die Linken-Fraktion im Bezirk Mitte fordert den Senat auf, die israelische Nationalflagge abzuhängen. Der Regierende Bürgermeister weigert sich und erhebt Vorwürfe gegen Die Linke

 14.07.2025