Warschau

»Deutschland steht zu seiner historischen Verantwortung«

Außenministerin Baerbock mit ihrem polnischen Amtskollegen Rau am Dienstag in Warschau Foto: picture alliance/dpa

Außenministerin Annalena Baerbock hat Reparationsforderungen Polens in Billionenhöhe zurückgewiesen, sich aber zugleich bemüht, den Konflikt angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen. Die Frage sei aus Sicht der Bundesregierung abgeschlossen, betonte die Grünen-Politikerin am Dienstag nach Beratungen mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau in Warschau.

Sie versicherte: »Deutschland steht zu seiner historischen Verantwortung ohne Wenn und Aber.« Rau äußerte die Hoffnung, die Position der Bundesregierung werde sich im Laufe der Gespräche über Reparationen noch weiterentwickeln.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Rau und Baerbock herrschte trotz der schwierigen Themen eine ganz andere Atmosphäre als noch beim Antrittsbesuch der Außenministerin im Dezember. Damals hatte Rau seine neue Kollegin scheinbar von oben herab behandelt und ihr 20 Minuten lang einen Forderungskatalog vorgetragen. Es war wie eine Standpauke. Jetzt wirkte der Umgang zwischen Rau und Baerbock gleichberechtigter und von Respekt geprägt.

Beim heiklen Thema der Reparationen blieb Baerbock wie erwartet hart. Sie betonte aber zugleich: »Es bleibt unsere ewige Aufgabe, an das millionenfache Leid zu erinnern, das Deutschland Polen angetan hat.« Die Brutalität »mit einer menschenverachtenden Kampagne der Unterdrückung, der Germanisierung, der puren Vernichtung« habe »in Polen noch mal ganz anderen Schmerz als an anderen Orten hervorgebracht«. Das Gedenken daran müssen auch bei den jungen Menschen in Deutschland immer wieder wach gehalten werden. 

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Es sei »immer wieder spürbar, wie präsent dieser Schmerz bis heute ist«, sagte Baerbock an Rau gewandt. »Und zwar nicht nur bei 90-Jährigen, sondern auch bei Neunjährigen, weil dieser Schmerz über Generationen vererbt wird.« Dies sei in Deutschland vielleicht nicht immer so bewusst. »Daran müssen wir uns immer wieder, gerade auch in Deutschland, aufs Neue erinnern. Ich glaube, das ist etwas, wo wir gemeinsam wirklich weiterarbeiten können und weiterarbeiten müssen.«

Zu den Reparationen sagte Rau: »Ich bin daher überzeugt, dass sich die Position der deutschen Regierung in dieser Frage als Ergebnis des Dialogs weiterentwickeln wird.« Allein schon deshalb, weil niemand in Deutschland oder Polen auf ein moralisches System oder eine Rechtsordnung verweisen könne, »in der der Täter eines Verbrechens ermächtigt war, unabhängig und allein das Ausmaß seiner Schuld, aber auch den Umfang und die Dauer seiner Verantwortung zu bestimmen«.

Polens PiS-Regierung hatte ihren Forderungen an Deutschland kurz vor Baerbocks Besuch Nachdruck verliehen: Rau unterzeichnete eine diplomatische Note, die Berlin übergeben werden soll. Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden. 

Rau nannte am Dienstag keine konkrete Entschädigungssumme. »Es ist keine gute diplomatische Praxis, den genauen Inhalt der Note anzugeben, denn dies ist eine Frage des gegenseitigen Vertrauens zwischen dem Empfänger und dem Absender der Note«, konterte er die Frage nach der Höhe der geforderten Reparationen. Allerdings sei es leicht, diese Summe zu ermitteln, sagte Rau und verwies auf den Bericht der Parlamentskommission.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Baerbock sagte über die diplomatische Note Warschaus lediglich: »Wir haben ja gestern im Fernsehen gesehen, dass ein Brief auf dem Weg nach Berlin ist.« Es sei »gut, dass wir heute persönlich darüber sprechen konnten«. Die Haltung der Bundesregierung sei bekannt.

Polen seinerseits steht regelmäßig in der Kritik von israelischen Politikern und jüdischen Organisationen. Der Grund: Immer wieder weist Warschau Forderungen zurück, Polen solle Holocaust-Opfern das in deutscher Besatzungszeit konfiszierte Eigentum zurückgeben oder Entschädigungen zahlen.

Im August 2019 etwa hatten 88 US-Senatoren in einem Brief an den damaligen Außenminister Mike Pompeo gefordert, Polen müsse die Rückgabe von Eigentum und Entschädigungszahlungen an Schoa-Opfer und ihre Familien gesetzlich regeln. Dies sei bislang kaum möglich, da viele Immobilien nach dem Krieg unter den Kommunisten in Staatsbesitz übergegangen waren. 

Einigkeit herrschte beim Thema Ukraine. »Es gibt nichts, was Polen und Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine trennen könnte. Millionen Menschen in der Ukraine brauchen uns jetzt zusammen« - Polen, Deutsche, Europäer, sagte Baerbock. Gemeinsam werde man die Ukraine im kommenden Winter unterstützen. »Wir werden Putins Landraub nicht unbeantwortet lassen«, ergänzte die Ministerin. Die EU bereite ein achtes Sanktionspaket vor - auch darüber habe sie mit Rau gesprochen. Die Sanktionen sollten das »russische Regime dort treffen, wo es wirklich wirkt, vor allen Dingen bei den Öleinnahmen.«

Rau sagte, beide Länder würden die von Russland durchgeführte Scheinreferenden in den besetzten ostukrainischen Gebieten verurteilen deren Annexion nicht anerkennen. Man sei sich einig, dass der Krieg mit der Wiedererlangung der vollen territorialen Integrität der Ukraine enden müsse. Außerdem müssten die Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen und Russland zur Zahlung von Kriegsentschädigungen verpflichtet werden. Das absolut dringlichste Problem sei daher nach wie vor die Unterstützung der Ukraine durch die Lieferung von schwerem Militärgerät, Raketen- und Luftabwehrsystemen sowie Panzern und gepanzerten Fahrzeugen. dpa/ja

Frankreich

Spezialeinsatz vor iranischem Konsulat in Paris

Ein Mann soll mit Granaten am Gürtel das Gebäude betreten haben

 19.04.2024

Wiesbaden

Hessen lädt iranischen Generalkonsul aus

Es könne nicht so getan werden, »als ob nichts gewesen wäre«, sagt Manfred Pentz (CDU)

 19.04.2024

Nahostkonflikt

»Israel muss iranische Rakete mit Atomsprengkopf fürchten«

John Bolton warnt im NZZ-Interview vor der Verbreitung von Nukleartechnologie durch Nordkorea

 19.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Iran/Israel

Scholz warnt erneut vor Eskalation im Nahen Osten

Es habe »erneut eine militärische Aktivität« gegeben, stellt der Bundeskanzler fest

 19.04.2024

Gmund

Merz: Selbstverteidigungsrecht Israels endet nicht an eigener Grenze

»Die Eskalationsdominanz liegt allein beim Mullah-Regime in Iran«, so der CDU-Chef

 19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Vereinte Nationen

Amerikanisches Veto gegen UN-Vollmitgliedschaft für Palästina

Die USA sehen Einigung auf eine Zweistaatenlösung als Voraussetzung für eine Anerkennung

 19.04.2024

Berlin

Zeitung: Anstieg rechtsextremer und antisemitischer Straftaten

Durch Judenhass motivierte Straftaten nehmen stark zu

 19.04.2024