Einspruch

Der schwache Mister Johnson

Boris Johnson ist kein Jeremy Corbyn. Dem neuen Tory-Chef und britischen Premierminister kann kein Antisemitismus nachgesagt werden. Im Gegenteil, er verhielt sich gegenüber jüdischen Menschen und bezüglich Israel stets korrekt oder diplomatisch. Bei den Londoner Bürgermeisterwahlen trat er offensiv gegen die dubiose und antisemitische Gestalt Ken Livingstones auf.

Doch dem jüdischen Großbritannien gefällt es nicht, wie sich Johnson Muslimen gegenüber verhält. Vor allem seine Bemerkung, die kleine Minderheit vollverschleierter Frauen sehe aus wie Briefkästen oder Bankräuber, wird ihm übelgenommen. Auch, dass er Schwarze mit dem rassistischen Begriff der »Pickaninnies« oder als Wassermelonengesichter bezeichnete, lässt ihn kaum als Verteidiger von Minderheiten erscheinen. Eher schon erkennt man darin den in Eton und Oxford erzogenen privilegierten Mann.

brexit Des Weiteren beunruhigt viele die starre Haltung Johnsons zum Brexit. Viele britische Juden stehen in enger Verbindung zum Kontinent. Und Johnsons Hang zur Demagogie, ja zur absichtlichen Halblüge, sowie seine Nähe zu Donald Trump lassen zusätzlich Sorgen aufkommen.

Johnson könnte mit seiner aufgeblasenen Rhetorik an der politischen Realität des Landes zerplatzen.

Am Tag vor seiner Ernennung zum Parteichef der Torys gelangte auch die 39-jährige Jo Swinson an die Spitze ihrer Partei, der Liberaldemokraten. Man könne sie ruhig als zukünftige Premierministerin betrachten, sagte sie selbstbewusst. Es darf nicht überraschen, dass die jüdische Abgeordnete Luciana Berger, die wegen Antisemitismus Labour verließ, sich beeilte, ihr zu gratulieren. Swinson steht zu Europa, für Klimaschutz und Gleichberechtigung. Berger beschrieb sie als »integre Persönlichkeit«. Das können nicht einmal seine Anhänger von Johnson behaupten.

Johnson könnte mit seiner aufgeblasenen Rhetorik an der politischen Realität des Landes zerplatzen. Denn er stützt sich ohnehin nur auf die knappe Mehrheit eines Parlaments, das bislang stets nur versucht hat, das Schlimmste zu verhindern.

Der Autor ist Journalist in London.

Holocaust

Charlotte Knobloch: Erinnerung darf niemals abreißen

Vor genau 90 Jahren waren die ersten Gefangenen ins KZ Dachau verschleppt worden

 22.03.2023

Justizreform

Europäische Juden rufen Israels Parteien zu Mäßigung auf

Rabbiner Goldschmidt: Die Spaltung bedroht Einheit und Sicherheit des jüdischen Volkes

 22.03.2023

Nahost

Israels Schreckensszenario?

China vermittelt ein Abkommen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien – zum Ärger des jüdischen Staates

von Sabine Brandes  21.03.2023

Antisemitismus

Kothaufen-Emoji als Antwort

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert von Twitter einen sachlichen Umgang mit Anfragen

 21.03.2023

Italien

Empörung nach antisemitischen Vorfällen bei Römer Derby

Der Verein Lazio Rom verurteilte »jegliche diskriminierende, rassistische oder antisemitischen Kundgebungen«

 21.03.2023

Diplomatie

»Deutschland und Israel bleiben enge Verbündete«

CDU-Chef Friedrich Merz trifft Israels Oppositionsführer Yair Lapid

von Sara Lemel  20.03.2023

TV-Tipp

Die dunklen Seiten der sozialen Netzwerke

Wenn Rechtspopulisten und Staatsgegner Regierungsviertel und -gebäude stürmen, dann bereiten sie dies meist über soziale Netzwerke vor. Eine ARD-Doku zeigt, wie gefährlich diese inzwischen für die Demokratie sein können

von Wolfgang Wittenburg  20.03.2023

Menschenhass

Romani Rose: Juden und Roma waren stets Sündenböcke

Es gebe wieder ein Erstarken von Antisemitismus und Antiziganismus, so der Vorsitzende des Zentralrats

 20.03.2023

Nahost

Huwara: Israelisches Anschlagsopfer außer Lebensgefahr

Es war der zweite palästinensische Terroranschlag innerhalb kurzer Zeit

von Sabine Brandes  20.03.2023