Bundestagswahl

Der ewige Posterboy der Linken

Gregor Gysi (Die Linke), Mission Silberlocke, spricht bei der Wahlparty der Partei Die Linke im Glashaus auf der Bühne. Am Sonntag fand die vorgezogene Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt. Foto: picture alliance/dpa

Sieben Leben hat die Katze - bei Gregor Gysi scheinen es ein paar Leben mehr zu sein. 8,8 Prozent der Stimmen hat die Partei Die Linke laut vorläufigem Endergebnis bei der Bundestagswahl am Sonntag erzielt. Unter anderem die »Mission Silberlocke«, welche Gysi zusammen mit dem früheren Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und dem linken Urgestein Dietmar Bartsch im Herbst 2024 entwickelte, hat das Blatt gewendet. Gysi hat in seinem Wahlkreis in Treptow-Köpenick 41,8 Prozent der Erststimmen abgeräumt und krönt seine politische Karriere nun als Alterspräsident im nächsten Bundestag.

Ein erstaunliches Comeback, da Die Linke seit Sahra Wagenknechts BSW-Parteigründung lange Zeit wie ein Auslauf-Modell wirkte. Gregor Gysi gehört zu denjenigen, die der Partei wieder Leben eingehaucht haben. Spät, aber auf den entscheidenden Metern zur Bundestagswahl. Mit solchen Wiederauferstehungssituationen kennt der kleine Mann mit den pointierten Sprüchen sich aus.

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Mehrere Tiefpunkte

Schließlich hat Gysi in seiner politischen Karriere mehrere Tiefpunkte überstanden. Vom letzten Vorsitzenden der SED-PDS über die Neugründung der Linkspartei bis hin zu Phasen des politischen Rückzugs - stets fand er seinen Weg zurück ins Scheinwerferlicht. Sein Charme, sein Charisma und seine Arbeitswut halfen Gysi dabei.

Dabei ist für Gysi bei aller Leidenschaft für Themen wie soziale Gerechtigkeit und Frieden, die er auch im jüngsten Wahlkampf beschwor, der Hauptfaktor seines politischen Programms immer Gysi selbst gewesen. Sein scharfzüngiger Witz und seine Fähigkeit, gesellschaftliche Stimmungen zu erfassen und zu kommentieren, zeichnet ihn auch mit 77 Jahren aus. Einen besseren Posterboy hat die Linke auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht zu bieten, wenn auch vielleicht mit Heidi Reichinnek ein Postergirl.

Religiöse Familienherkunft

Was viele in Zeiten des wachsenden Antisemitismus nicht wissen: Gregor Gysi hat jüdische Familienwurzeln. Sein jüdischer Vater, Klaus Gysi, war in der DDR ein hochrangiger Kulturpolitiker. Gysis Mutter Irene war in der DDR auch politisch aktiv und entstammt einer jüdischen Familie. Trotz seiner sozialistischen Prägung hat Gysi früh ein Interesse an Religion signalisiert. Nicht, weil er an Gott glaubt, sondern weil er viel von den Religionen als Ethik-Produzenten hält. Schon oft gab Gysi öffentlich kund, dass er eine »religionsfreie Gesellschaft« fürchte, weil es dann kaum »definierte Werte und Moralvorstellungen« gäbe und wichtige Traditionen verschwänden: Weihnachten, Ostern und Pfingsten zum Beispiel.

Jüdischer Familienhintergrund

Ob Gysi mit diesen Anschauungen noch in die Zeit passt? Vielleicht sogar besonders gut. Zumal er als analoger und digitaler Medienstar und Autor nie wirklich weg war. Bei einer Buchpräsentation mit Karl-Theodor zu Guttenberg im vergangenen Herbst in Berlin unterstrich Gysi, dass er trotz Pensionsalters immer noch »wach« sei und sich für nahezu alles interessiere, was in Deutschland, Europa und in der Welt passiere.

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Dass ihm die polarisierte Stimmung im Land Sorgen mache, betonte er - und lieferte gleich eine Therapie. Zu seiner Zeit als Anwalt in der DDR habe er gelernt, völlig unterschiedlichen Menschen zuzuhören. Davon profitiere er bis heute.

Nach seinem zeitweiligen Rückzug aus der Politik und drei Herzinfarkten, so Gysi, habe er darauf geachtet, gesund zu leben. »Ich schwimme, radle mit dem E-Bike, spiele Tischtennis, gehe Wandern und laufe Abfahrts-Ski.« Die Disziplin »Im Bundestag sitzen« bleibt weiter dabei. Es dürfte nicht für die Katz sein, was die Qualität der politischen Debatten betrifft.

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