Herr Rabbiner Rabinovitz, können Sie beschreiben, was genau Ihnen am 4. August im Einkaufsmarkt in der Basler Straße in Bad Homburg widerfahren ist?
Ich wollte mit meinen Kindern in ein Geschäft gehen, als ein junger Mann begann, mich anzuschreien: »Free Palestine!«. Dann fragte ich ihn: »Warum schreist du mich an? Was habe ich dir getan? Was hat das mit mir zu tun?« Dann sah er, dass ich ein Handy in meiner Hand hielt. Er hat wohl vermutet, dass ich ihn fotografieren würde. Er riss es mir aus der Hand und warf es weg. Dann fing er an, mich zu stoßen, ein paar Meter weit, und dann ist er weggelaufen.
Kam die Polizei schnell?
Nein. Ich rief die jüdische Gemeinde an und teilte das mit. Sie sagten, ich solle bei der Polizei Anzeige erstatten. Dann brachte ich meine kleinen Kinder nach Hause und ging dann zur Polizei. Ich wollte die Polizei nicht vor dem Geschäft rufen, damit meine Kinder kein Trauma bekommen. Sie sind genug traumatisiert von diesem Vorfall.
Gab es bereits frühere Angriffe oder Beleidigungen gegen Sie oder andere Juden in Bad Homburg?
Ja. Aber das war der erste Angriff mit physischer Gewalt. Bisher wurde nur geschimpft oder geschrien, wie »Free Palestine«.
Hat Ihrer Wahrnehmung nach der Antisemitismus in der Region seit dem 7. Oktober zugenommen?
Ja natürlich. Vor allem in den letzten drei Monaten wurde es noch intensiver. So wie in ganz Deutschland. Bad Homburg ist nicht etwas Besonderes, aber wenn ein jüdischer Mann jüdische Symbole trägt, so wie ich – ich trage einen Bart, Pejot und Kipa -, dann kommen Beschimpfungen.
Werden Sie Ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit künftig ändern?
Nein, das werde ich nicht.
Die Dezernenten des Hochtaunuskreises und die Bürgermeister der 13 Kommunen haben sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen Antisemitismus gewandt. Auf Initiative des Oberbürgermeisters Alexander Hetjes (CDU) zogen sie nach der Verlesung auf Marktplatz mit Kippot auf dem Kopf durch die Innenstadt zum Rathaus. Wie werten Sie diese Geste?
Die geistige und moralische Unterstützung, die wir seitens der Stadt Homburg bekommen haben, war sehr groß. Das ist für uns ein wichtiges Zeichen. Ich möchte mich bei der Stadt Homburg und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt bedanken, die alle Sicherheitsmaßnahmen das ganze Jahr für uns übernehmen. Wir hoffen auf gute Zeiten und Frieden, und wir wollen gut miteinander auskommen.
Mit dem Rabbiner der Chabad Lubawitsch Organisation in Bad Homburg, Shalom Dovber Rabinowitz, sprach Helmut Kuhn