Kommentar

Das Urteil ist kein Schlussstrich

Nein, es war nicht der letzte große Prozess, der wegen der Verbrechen des Nationalsozialismus geführt wurde. Nein, mit den vier Jahren Haft, zu denen der 94-jährige Oskar Gröning, der »Buchhalter von Auschwitz«, vom Landgericht Lüneburg verurteilt wurde, ist nichts abgeschlossen. Zumal wir am Mittwochvormittag nicht einmal wissen, ob er die Haft wirklich antritt.

Zunächst einmal muss daran erinnert werden, dass weitere Verfahren anliegen: Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg ermittelt noch in etlichen Fällen, und erst jüngst musste die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen, weil das Landgericht Neubrandenburg sich weigerte, ein Hauptverfahren gegen einen 94-jährigen früheren SS-Sanitäter zu eröffnen. Und das Landgericht Detmold prüft derzeit, ob ein Prozess gegen einen 93-jährigen ehemaligen Auschwitz-Wachmann stattfinden wird.

wunschdenken Die häufig wiederholte Behauptung, es sei der letzte NS-Prozess gewesen, entstammt oft nur dem Wunschdenken, dass endlich Schluss sein müsse. Vielleicht nicht mit der Schuld, die Deutschland an der Schoa trägt, aber sehr wohl mit beinah allem, was daraus konkret folgt. Auch Grönings Verteidigerteam hat in dieser Linie argumentiert: Er habe zwar das Geld deportierter Juden genommen, aber nicht den Holocaust aktiv gefördert. Dabei hat Gröning im Prozess selbst eingeräumt, dass er dazu beigetragen hat, dass das Lager Auschwitz funktionierte.

Insofern liegt im Prozess und im Urteil gegen Oskar Gröning doch etwas Positives: Zum einen, weil sich Gröning noch in seinem Schlusswort ausdrücklich zu seiner Schuld bekannte und nicht schwieg, bestritt oder lamentierte wie die meisten Täter vor ihm. Zum anderen, weil wir einen SS-Mann erlebten, der aussieht wie der nette Rentner von nebenan, der die Blumen gießt, wenn man in Urlaub fährt. Grönings Erscheinung drängt der Gesellschaft also die Frage auf, die viele Überlebende immer stellen: Was ist mit den vielen anderen netten, älteren Herren, die einem täglich begegnen?

Mit der Person Oskar Gröning wurde jemand verurteilt, der jahrzehntelang eine sehr verbreitete deutsche Mentalität verkörperte: Das war schlecht, aber wir können gut damit leben. Das Lüneburger Urteil und die hoffentlich noch folgenden Prozesse erinnern die deutsche Öffentlichkeit daran, dass man mit dem, was damals geschah, auch heute nicht gut leben können darf.

Israel

Zweiter Evakuierungsflug nach Deutschland am Donnerstag

Am Mittwoch fliegt die Bundesregierung per Chartermaschine erstmals seit Kriegsbeginn Ausreisewillige aus Israel von Jordanien aus in die Heimat. Es soll nicht der einzige Flug bleiben

 17.06.2025

Nahost

Karin Prien: Iran einer der schlimmsten Schurkenstaaten

Die Bundesbildungsministerin mit jüdischem Familienhintergrund betont mit Blick auf den Krieg in Nahost Israels Recht auf Selbstverteidigung. Sie nennt den Iran ein »verbrecherisches System«

 17.06.2025

Kommentar

Der »Spiegel« ist nicht lernfähig

Deutschland dürfe »nicht erneut« zu Israels Angriffen schweigen, fordert Thore Schröder in einem Artikel. Wenn es um den jüdischen Staat geht, hat Realitätsverweigerung bei dem Hamburger Magazin System

von Ralf Balke  17.06.2025

Angriffe gegen Mullah-Regime

Merz: Israel macht im Iran »die Drecksarbeit für uns alle«

Der Bundeskanzler wurde bei einem Auftritt im ZDF ungewöhnlich deutlich

 17.06.2025

Berlin

Antimuslimischer Rassismus trifft Frauen besonders stark

Übergriffe auf Menschen, die Muslime sind oder als solche wahrgenommen werden, haben nach Aussage von Mitarbeitern von Beratungsstellen ein alarmierendes Ausmaß erreicht

 17.06.2025

Washington D.C.

Trump will »echtes Ende« für iranisches Atomprogramm

Der Iran hätte den bisherigen Verhandlungsvorschlag annehmen sollen, schreibt der US-Präsident

 17.06.2025

Judenhass in Brandenburg

Hausverbot für Juden und Israelis

Die Polizei ermittelt Geschäften »Yörük I« und »Yörük II« in Brandenburg

 17.06.2025

Calgary/Washington D.C.

Trump offen für Putin als Vermittler in Israel-Iran-Krieg

Wladimir Putin führt seit 2022 einen Eroberungskrieg gegen die Ukraine. Nun bietet sich der Aggressor selbst als Friedensstifter im Konflikt zwischen Israel und dem Terrorsponsor Iran an. Einer hält die Idee für gut

 17.06.2025

Berlin

Deutsch-Israelische Literaturtage abgesagt

Der Krieg zwischen Israel und Iran erreicht das Berliner Kulturprogramm

 17.06.2025