Nahost

Das große Aufrüsten

Die Verbreitung von Atomtechnologie hat in den vergangenen zehn Jahren drastisch zugenommen. Für die Stabilität im Nahen Osten bedeutet das eine enorme Herausforderung. Und zwar zuallererst durch das fast ungezügelte Atomprogramm des Iran, dessen militärische Ambitionen von niemandem wirklich kontrolliert, geschweige denn bekämpft werden. Dabei stellt der massive Ausbau nuklearer Macht bei einem Staat wie dem Iran eine besondere Gefahr dar. Denn das Regime in Teheran versucht erklärtermaßen, den Status quo in der Region zu verändern, indem es die Existenz von Nachbarstaaten infrage stellt.

Der Iran ist aber nicht nur für Israel eine Bedrohung, sondern auch für arabische Golfstaaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Bahrain sowie Ägypten. Auf Kosten dieser Staaten versucht die Islamische Republik, ihre Dominanz in der Region auszubauen. Atomwaffen sollen ihr dabei helfen.

Inspektion Auch Syrien ist ein besorgniserregender Staat im Klub der potenziellen Atommächte. Nachdem Israel im Jahr 2007 einen syrischen Reaktor – der mithilfe Nordkoreas errichtet werden sollte – zerstört hatte, ließ Damaskus umgehend alle Spuren beseitigen. In den folgenden zwei Jahren verweigerte die syrische Regierung der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien (IAEO) sämtliche Inspektionen. Die an und für sich schon gefährlichen atomaren Aktivitäten Syriens erhalten noch größeres Gewicht, wenn man die strategische Verbindung des Landes zum Iran nicht außer Acht lässt. Es ist durchaus möglich, dass Damaskus in seinen nuklearen Bestrebungen bis heute von Teheran tatkräftig unterstützt wird.

Generell lässt sich seit 2006 eine allgemeine Rückkehr zur Atomenergie beobachten. Dieses erstaunliche Comeback einer lange als Auslaufmodell gehandelten Technologie besitzt für den Nahen Osten durch das iranische Nuklearprogramm besondere Brisanz. Einige dutzend Staaten der Region haben mittlerweile die IAEO darüber informiert, dass sie zivile Atomprogramme planen. Das Problem ist allerdings: Militärische Nutzung von Brennelementen ähnelt im Anfangsstadium technisch der zivilen. Vermutlich nutzt der Iran diesen Umstand aus. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Jordanien und Ägypten bemühen sich bereits um technologische Hilfe für ihre Programme. Die USA, Frankreich, Russland, Japan und Südkorea konkurrieren indes um diese lukrativen Aufträge. Das birgt die Gefahr, dass auch das Risiko der Weiterverbreitung militärischen Wissens deutlich steigt.

Atomwaffensperrvertrag Bis jetzt können wenigstens die Vereinigten Arabischen Emirate in dieser Beziehung als seriös gelten: Immerhin haben sie Washington versichert, auf die Anreicherung von Uran zu verzichten. Jordanien hingegen lehnt eine solche Garantie ab und beruft sich dabei auf den Atomwaffensperrvertrag. Es scheint, dass Japan dennoch gewillt ist, das Land mit einem Reaktor zu versorgen. Tokio hat kürzlich sogar erklärt, dass es im Export nuklearer Technologie für friedliche Zwecke einen wichtigen Motor für das eigene Wirtschaftswachstum sieht.

Doch die mächtigen Staaten dieser Erde stehen in der Verantwortung, ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten zu verhindern. Sie sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Iran (und höchstwahrscheinlich auch Syrien) davon abzuhalten, in den Besitz von Nuklearwaffen zu kommen. Gleichzeitig müssen sie aber auch darauf bestehen, dass die vielen neuen Atomprogramme in anderen Ländern dieser Krisenregion kontrolliert werden. Gelingt das nicht – die Folgen für den Weltfrieden wären unabsehbar.

Die Autorin ist Direktorin am Institute for National Security Studies in Tel Aviv.

INFORMATION

Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)

Die IAEO beschäftigt sich als eigenständige Organisation innerhalb der UNO mit der Verbreitung und Anwendung nuklearer Technologie. 1957 in New York gegründet, hat sie heute ihren Hauptsitz in Wien. Sie berichtet dem UNO-Sicherheitsrat und der UNO-Vollversammlung, wenn Kernenergie nicht friedlich genutzt wird. Seit Abschluss des Atomwaffensperrvertrages (NPT) im Jahr 1970 ist die IAEO für dessen Einhaltung verantwortlich. Dafür entsendet sie Teams ihrer insgesamt 2.200 Mitarbeiter aus über 90 Ländern, die als Inspekteure Zugang zu atomaren Anlagen aller Art haben sollen. Grundlage dafür sind Kontrollabkommen mit 146 Staaten dieser Erde. Die meisten dieser Staaten haben erklärt, über keine Atomwaffen zu verfügen. Mit etwa 2.500 Vor-Ort-Überprüfungen jährlich versucht die IAEO, dies zu verifizieren.

Im Jahr 2005 erhielt die IAEO »für ihre Bemühungen, die Nutzung der Atomenergie für militärische Zwecke zu verhindern und die friedliche Nutzung so sicher wie möglich zu gestalten«, den Friedensnobelpreis. Derzeitiger Generaldirektor der IAEO ist der Japaner Yukiya Amano. Noch bis 24. September findet in Wien die IAEO-Generalkonferenz statt, bei der es unter anderem um die Atomprogramme des Iran, Syriens und Israels geht.

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025