München

Bitte um Vergebung

In München und Fürstenfeldbruck wurde am Montag der vor 50 Jahren ermordeten israelischen Olympioniken gedacht. Foto: picture alliance/dpa

Es war der Tag der Entschuldigungen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) machte den Anfang. »Ich entschuldige mich dafür, dass nach dem Anschlag nicht das getan wurde, was die Menschlichkeit geboten hätte: Fehler einzugestehen und die Verantwortung dafür zu übernehmen.«

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zog wenig später nach. »Ich entschuldige mich ausdrücklich im Namen des Freistaats Bayern für die Fehler und für die Versäumnisse, die damals gemacht wurden, und ich entschuldige mich auch, dass es so lange gedauert hat, bis man darüber geredet und eine Entschädigung gefunden hat«, sagte Söder. Für die Bundesregierung, die diese »Ausgleichszahlungen« mit den Hinterbliebenen ausgehandelt hatte, entschuldigte sich auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Gleich zwei Gedenkzeremonien zum 50. Jahrestag des Terroranschlags auf die israelischen Olympioniken fanden am Montag statt: die erste am Vormittag in der Gedenkstätte im Münchner Olympiapark, die zweite am Nachmittag auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Dort war am Abend des 5. September 1972 der Versuch der bayerischen Polizei gescheitert, die neun noch lebenden Geiseln aus der Gewalt der palästinensischen Terroristen zu befreien.

BUNDESPRÄSIDENT Frank-Walter Steinmeier ging hart mit dem Versagen der staatlichen Stellen ins Gericht. »Viel zu viele Fragen« seien auch heute noch offen. »Dem Anschlag folgten Jahre und Jahrzehnte des Schweigens und Verdrängens, Jahre der wachsenden Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Hinterbliebenen, Jahre der Hartherzigkeit. Auch das ist ein Versagen«, betonte der Bundespräsident. An die Angehörigen der Opfer gewandt sagte er: »Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach.«

Das Bemühen von 1972, Deutschland als friedfertige und freundliche Demokratie zu zeigen, sei in München tragisch gescheitert und das Olympische Dorf zur »internationalen Bühne für Judenhass und Gewalt« geworden. Steinmeier: »Das hätte niemals geschehen dürfen.«

Ankie Spitzer sprach von
einem »Loch im Herzen«,
das bleiben werde.

Einige der Angehörigen der elf getöteten Israelis, darunter Ankie Spitzer, waren nach München gekommen. Spitzer umarmte den Bundespräsidenten nach dessen Rede. Erst Mitte vergangener Woche, als eine Einigung über eine angemessene Entschädigung der Angehörigen erzielt wurde, hatte sie ihre Bereitschaft signalisiert, doch nach München zu kommen.

Noch vor Wochenfrist hatten die Verantwortlichen bang auf den anstehenden Jahrestag geblickt. Wären die Hinterbliebenen nicht erschienen, hätte sich auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog nicht in München blicken lassen. Doch er kam.

OLYMPIADE Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sah dagegen keinen Grund, um Verzeihung zu bitten – auch nicht dafür, dass sein Amtsvorgänger Avery Brundage 1972 mit aller Macht dafür gesorgt hatte, dass die Olympiade trotz des Terroranschlags fortgeführt wurde (»The games must go on«).Bach bedankte sich aber bei den Israelis dafür, dass sie sich trotz allem nie von der olympischen Idee abgewandt hätten.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, lobte die Übernahme von Verantwortung durch die Spitzen von Bund, Freistaat Bayern und Stadt München. »Die Fehler, die von deutscher Seite aus gemacht wurden, können und sollen nicht vergessen werden.« Es sei aber anzuerkennen, so Schuster, dass sich »die politisch Verantwortlichen der Gegenwart der Verantwortung und den Fehlern der Vergangenheit gestellt haben.«

Isaac Herzog erinnerte sich, wie er als Kind mit seinem Vater am Radio von dem Anschlag gehört habe. Seitdem, sagte der Präsident, trage er eine »Narbe auf dem Herzen«.

Das letzte Wort in Fürstenfeldbruck hatte Ankie Spitzer. Sie sprach von einem »Loch im Herzen«, das bleiben werde. Dann richtete sie sich an ihren ermordeten Mann. »Danke, André, für das Geschenk der Liebe. Du kannst jetzt in Frieden ruhen, und das kann ich auch – bis wir uns wiedersehen.«

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025