Göttingen

BDS unerwünscht!

Möchte BDS nicht unterstützen: die Universität Göttingen Foto: dpa

Der Streit um die Vergabe des diesjährigen Göttinger Friedenspreises an den Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« ist am Mittwoch weiter eskaliert. Wegen Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Preisträger wollen die Universität, die Stadt und die Sparkasse Göttingen die für den 9. März geplante Verleihungsfeier nicht unterstützen. Die Feier könne nicht wie in den vergangenen Jahren in Räumen der Hochschule stattfinden, sagte ein Sprecher der Universität am Mittwoch.

ZENTRALRAT Die Uni begründete die Entscheidung mit der anhaltenden Kontroverse um den Preisträger, »bei der sich die Universität keiner der kontrovers geäußerten Meinungen anschließen kann«. Die grundsätzliche Unterstützung für den Göttinger Friedenspreis sei von dem Beschluss aber nicht betroffen. Die Preisjury dagegen will an ihrer umstrittenen Entscheidung festhalten.

Zuvor hatten der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie FDP-Politiker den Verein »Jüdische Stimme« als antisemitisch kritisiert. Er sei »ein aktiver Unterstützer von Veranstaltungen der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)«.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert die »Jüdische Stimme« als antisemitisch.

Schuster wirft der BDS‐Kampagne vor, zum Boykott israelischer Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer aufzurufen. »Sie ist damit keine Bewegung, deren Kritik sich an der Politik der israelischen Regierung entzündet.« Die Boykotte richteten sich vielmehr gegen alle in Israel lebenden Menschen. Die Stoßrichtung der BDS‐Bewegung sei »unzweifelhaft antisemitisch«.

BOYKOTT »Die Auszeichnung einer Initiative, die eine gegen Juden gerichtete Boykott‐Initiative unterstützt, ist nicht nur des Göttinger Friedenspreises unwürdig, es ist darüber hinaus ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel«, so Schuster weiter.

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält die Vergabe des Preises an die Organisation für »völlig verfehlt«. Insbesondere die Unterstützung der »israelfeindlichen« BDS-Bewegung durch den Verein sei »hoch problematisch«, sagte Klein den Zeitungen des »RedaktionsNetzwerks Deutschland« (Donnerstag). Die BDS-Bewegung nehme Juden in kollektive Haftung für Maßnahmen des Staates Israel. Mit ihrer Unterstützung der BDS-Bewegung erweise der Verein den berechtigten Anliegen der Palästinenser einen »Bärendienst«.

Zumach weist die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Verein zurück.

Unterdessen hält die Stiftung Dr. Roland Röhl ungeachtet des Rückzugs von Stadt, Universität und Sparkasse an der Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2019 an den Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« fest. »Unserer Jury sind bisher keine Vorwürfe bekanntgeworden, die nicht auch schon bei der Wahlentscheidung berücksichtigt wurden«, sagte der Stiftungsvorsitzende Hans-Jörg Röhl am Donnerstag. Es sei inzwischen dokumentiert, dass diese Vorwürfe »überzeugend entkräftet« werden konnten.

Der Vorsitzende der Preisjury, Andreas Zumach, kritisierte den Rückzug der Unterstützer des Friedenspreises als »feige und unehrlich begründet«. Universität, Stadt und Sparkasse hätten dem »Druck von Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmord« gegen die »Jüdische Stimme« nachgegeben und diese höher bewertet als sämtliche kontroversen Meinungen und Argumente. Die Preisverleihung werde am 9. März an einem anderen Ort stattfinden.

Die Stiftung hält ungeachtet des Rückzugs von Stadt, Universität und Sparkasse an der Verleihung fest.

FRIEDEN Zumach hatte die Antisemitismus-Vorwürfe bereits in der vergangenen Woche im Gespräch mit dem epd zurückgewiesen. Er verwies darauf, dass die »Jüdische Stimme« für ihr Engagement geehrt werde, im Nahen Osten eine gerechte Friedenslösung zwischen zwei souveränen Nachbarstaaten anstreben und erreichen zu können. Der Verein wolle darauf hinwirken, dass sich die Bundesregierung für einen Staat Palästina einsetze.

In den vergangenen Tagen hatten mehr als 100 Personen und Organisationen aus dem In- und Ausland die Position der Jury gestützt. So schrieb der Philosophie-Professor Brian Klug aus Oxford an die Stadt und die Universität Göttingen: »Trotz Ihrer besten Absichten werden Sie nicht die Sache des Kampfs gegen Antisemitismus befördern.«

Unabhängig davon, hatten bereits im Januar mehr als 90 jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle – darunter Micha Brumlik, Moshe Zimmermann und Noam Chomsky – in einem Offenen Brief Anfeindungen gegen den Verein scharf kritisiert.  epd/ja

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025