Meinung

Bärendienst an der Berlinale

Fabian Wolff Foto: Marco Limberg

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

»Mögen Sie Wagner?«, fragt Sabina Spielrein im Film A Dangerous Method. »Den Menschen und die Musik!«, antwortet C.G. Jung enthusiastisch. Ähnlich überschwänglich klingt die Pressemeldung, mit der die Berlinale vergangene Woche den Preisträger ihres Goldenen Ehrenbären fürs Lebenswerk bekannt gab, der bei den Filmfestspielen im Februar verliehen werden soll: »Wir ehren Ken Loach als Regisseur, und wir verehren ihn als einen Menschen, der in seinen Filmen oft humorvoll gesellschaftliche Missstände widerspiegelt«, sagte Dieter Kosslick.

lachen Der Berlinale-Direktor ist vielleicht der einzige Mensch, der bei Ken Loach sofort an »humorvoll« denkt. Vielleicht kennt er nur die Fußballkomödie Looking For Eric, vielleicht hat er Loach auch mit Mike Leigh verwechselt. Loach ist jedenfalls bekannt für Sozialdramen und Milieustudien. Gelacht wird selten, die Hoffnung ist klein. Der Regisseur Loach hat die Ehrung sehr verdient.

Der Regisseur, wie gesagt. Doch Kosslick lobt explizit den »Menschen« Loach. Und der hat vor allem mit einer drastischen Anti-Israel-Haltung Aufsehen erregt. Loach gehört zu den prononciertesten Israel-Boykotteuren. Er lehnt etwa die Teilnahme an jedem Filmfestival ab, das »von der israelischen Regierung finanziert« wird.

Wobei »finanziert« in diesem Fall ein dehnbarer Begriff ist. 2009 nahm der Film Surrogate von Tali Shalom Ezer am Edinburgh Film Festival teil. Die israelische Botschaft unterstützte die Anreise der Regisseurin mit 300 Pfund. Eine Aktionsgruppe drohte mit Boykott; der eigentlich unbeteiligte Loach unterstützte das. Danach zahlte die Festivalleitung die Anreise.

humanismus Zu einer Studie über das Wachsen des Antisemitismus sagte er, dies sei doch sehr verständlich angesichts von Israels Politik – und insgesamt sei die Studie nur ein Täuschungsmanöver, um von der Politik Jerusalems abzulenken. Aus diesen Worten spricht etwas ganz anderes als der Humanismus, den man aus Loachs Filmen kennt.

Dass die Berlinale davon spricht, auch den Menschen Ken Loach auszuzeichnen, ist Blindheit oder Provokation. Gerade war der letzte Gewinner des Ehrenbären, Claude Lanzmann, in Berlin zu Gast. Mit der Verkündung von Loachs Ehrung hat man danach immerhin eine Woche gewartet. Möglicherweise, weil man geahnt hat, wie der Shoah-Regisseur reagiert hätte.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin.

Brandenburg

1200 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Ravensbrück

28.000 Menschen wurden in dem Konzentrationslager während der Schoa getötet

 04.05.2025

Umfrage

48 Prozent der Deutschen für AfD-Verbot

61 Prozent der Befragten halten die Partei außerdem für rechtsextrem

 04.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  04.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Meinung

Israelfeinde gegen Pressefreiheit

Journalisten sind immer häufiger Anfeindungen von »propalästinensischen« Aktivisten ausgesetzt. Das ist auch ein Angriff auf das Fundament unserer Gesellschaft

von Erica Zingher  02.05.2025

Interview

»Deutschlands Vorbildrolle steht radikal infrage«

Oliver von Wrochem über 80 Jahre Kriegsende, eine stärker werdende AfD und NS-Gedenkstätten als gesellschaftspolitische Akteure

von Sebastian Beer  02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Schritt des Verfassungsschutzes, die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einzustufen

von Anne-Beatrice Clasmann  02.05.2025