Syrien

Assad – und dann?

Vorboten: Im Sommer 2011 stürmten Tausende die Golan-Grenze zu Israel. Foto: Flash 90

Baschar al-Assad war lange der Lieblingsfeind der Israelis. Neben Iran galt sein Syrien als wichtigster Widersacher Israels im Nahen Osten. Wie sein Vater Hafez machte Assad Damaskus zum Dreh- und Angelpunkt radikaler palästinensischer Terrororganisationen, die den Friedensprozess aktiv untergraben.

Wenn in Israel ein Bus explodiert oder ein Selbstmordattentäter einen neuen Anschlag begeht, sprechen Geheimdienste meist davon, dass die Täter aus ihrem Hauptquartier in Syrien Direktiven erhalten hätten. Der internationale Flughafen Damaskus war der Umschlagplatz für mehr als 50.000 Raketen, die Iran der libanesischen Hisbollahmiliz lieferte. In Trainingscamps im ganzen Land lernen Aktivisten der Hisbollah, des Palästinensischen Islamischen Dschihads, der Hamas und viele andere ihr Kriegshandwerk.

c-waffen Zwar ist die Ausrüstung von Assads Streitkräften hoffnungslos veraltet und stellt für Israel keine Gefahr dar. Aber Assad macht diesen Nachteil mit dem Ausbau der nicht-konventionellen militärischen Fähigkeiten wett. In Deir a Saur wurde insgeheim ein Atomreaktor errichtet, der 2007 durch einen israelischen Präventivschlag zerstört wurde. Und das syrische Arsenal an C-Waffen, eines der größten der Welt, bleibt – gepaart mit Tausenden Kurz- und Mittelstreckenraketen – eine existenzielle Bedrohung.

Trotzdem will man sich in Israel nicht recht über Assads Probleme freuen, die er seit Ausbruch der Unruhen am 15. März letzten Jahres hat. Die Gefahren, die bei einem Sturz Assads entstehen könnten, sind so erheblich, dass manche Israelis den bekannten Feind dem unbekannten vorziehen. Schließlich ist die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien in den Golanhöhen Israels ruhigste Grenze.

Ein Vorgeschmack darauf, was Israel nach einem Sturz Assads erwarten könnte, bot sich im Juni 2011, als Tausende Palästinenser die Grenze durchbrachen. Hunderte drangen auf israelisches Gebiet vor. Bei den Schusswechseln kamen 20 Menschen ums Leben, mehr als 300 wurden verletzt.

Seither hat Syrien ähnliche Versuche unterbunden – doch ohne eine starke Regierung in Damaskus könnte der Golan zu einer gefährlichen Konfliktzone werden. Wie Syrien nach dem Niedergang Assads aussehen wird, bleibt ein Rätsel. Schon jetzt sind Städte wie Homs in verfeindete Bezirke gespalten. Ein Bürgerkrieg wie im Irak ist möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich.

Milizen Bei einem solchen Krieg könnte Israel in Mitleidenschaft gezogen werden. Den Mechanismus dafür macht das Modell der Hisbollah deutlich: Nach Ende des libanesischen Bürgerkriegs durfte sie als einzige Miliz ihre Waffen behalten. So wurde sie zur größten Macht im Land. Ihr Arsenal dient dazu, innenpolitische Gegner einzuschüchtern. Doch sie rechtfertigt ihren Sonderstatus, indem sie sich als Verteidigerin libanesischer Souveränität im Kampf gegen Israel darstellt. Entsprechend könnten rivalisierende Milizen in Syrien versucht sein, ihre Rolle im Bruderkrieg durch Angriffe gegen den einzigen gemeinsamen Feind, Israel, zu legitimieren.

Für den Nahen Osten wäre ein Machtvakuum in Syrien verheerend. Wie Somalia, Afghanistan und Irak zeigen, sind »failed states« für Terrororganisationen wie Al Qaida attraktiv, bei denen Israel ganz oben auf der Liste der Feinde steht. Assad übertrieb kaum, als er in einem Interview im Oktober warnte: »Wenn jemand mit Syrien spielt, könnte das ein Erdbeben auslösen.«

Gleichgewicht Dabei muss nicht einmal das riesige Arsenal chemischer Waffen in die Hände von Terroristen fallen, wie israelische Militärs inzwischen befürchten. Die Konsequenzen reichen von einer Destabilisierung der kurdischen Regionen an der Grenze zur Türkei und dem Irak, über eine Erschütterung des empfindlichen Gleichgewichts im Libanon, bis zu potenziell verheerenden Konsequenzen für die Stabilität des haschemitischen Königshauses in Jordanien. Jedes dieser Szenarien bedeutet für Israel eine Gefahr.

Dennoch gab der Minister für strategische Angelegenheiten und ehemalige Generalstabchef Mosche Yaalon diese Woche erstmals eine positive Einschätzung über die Unruhen in Syrien ab. Seine Bemerkungen sind gleich doppelt interessant: Aspekte eines Sturzes von Assad seien »positiv, wie ein Bruch in der Achse des Bösen Teheran-Damaskus-Beirut-Hamas«, sagte Yaalon. »Ich glaube nicht, dass die Muslimbruderschaft in Syrien die Macht übernehmen wird, sondern eher ein moderates sunnitisches Regime.« Das würde sich auf eine intellektuelle Mittelklasse stützen und wäre für Israel durchaus berechenbar.

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025