Halle-Prozess

Applaus im Gericht für Überlebende des Attentats

Foto: imago images/Christian Grube

Im Prozess um das Attentat von Halle hat erstmals eine Überlebende ausgesagt. Eine US-Amerikanerin sprach dabei ein Gebet und gab ein emotionales Statement ab. »Ich werde nicht direkt zum Angeklagten sprechen«, sagte die 32-Jährige.

TRAUMA »Aber er hat sich mit den Falschen angelegt. Er hat sich mit der falschen Person angelegt, mit der falschen Familie, mit den falschen Menschen.« Ihr Großvater habe als Einziger in der Familie die Schoa überlebt, sagte die Frau, die in Berlin für eine jüdische Nichtregierungsorganisation arbeitet und dort seit eineinhalb Jahren lebt.

Die Zeugin berichtete von einer posttraumatischen Belastungsstörung, die nach dem Attentat bei ihr diagnostiziert worden sein. Diese habe sie inzwischen aber überwunden. »Nach dem heutigen Tag wird er mir keine Qualen mehr bereiten. Das endet hier und heute«, sagte die Frau. Besucher und Nebenkläger applaudierten. Sie werde Berlin wegen des Attentats nicht verlassen.

SPAZIERGANG Die 32-Jährige hatte zuvor berichtet, dass sie die Synagoge kurz vor dem Anschlag für einen Spaziergang verlassen hatte. Dann habe sie laute Geräusche gehört und sei zur Synagoge zurückgekehrt, wo inzwischen schon die Polizei eingetroffen gewesen sei.

Auch ein zweiter Zeuge, ein 33-jähriger Rabbiner, sagte am Dienstag in Magdeburg aus. »Jüdisches Leben wird wachsen. Ich habe keine Angst. Wir sind laut und werden gehört«, betonte er. Der Rabbiner war für Jom Kippur mit seiner Frau und seiner 15 Monate alten Tochter extra aus Berlin nach Halle angereist. Er war Teil einer 20-köpfigen Gruppe, die nicht in einer vollen Synagoge in der Großstadt, sondern außerhalb feiern wollte, auch um eine kleinere Gemeinde zu unterstützen.

KNALL Eine 30-jährige Zeugin berichtete von einem lauten Knall, der während des Gebetes zu hören gewesen sei. Nach einem zweiten Knall habe es Aufregung gegeben, einige Männer hätten am Eingang den Monitor beobachtet, dann habe jemand gerufen: »Lauft, lauft, schnell.« Es hieß, jemand würde auf die Synagoge schießen.

Die Zeugin weiter: »Ich konnte mir das nicht wirklich vorstellen.« Es sei ihr abstrus vorgekommen. Sie beschrieb, dass sie noch lange in der Synagoge waren. Sie hätte erwartet, dass wenigstens ein Polizist zur Kommunikation in die Synagoge kommen würde.

Ähnliches berichtete auch der Rabbiner: Er hätte von Seiten der Polizei mehr Verständnis erwartet. So hätten sie später sehr lange im Bus gesessen, ungeschützt den Kameras der Presse ausgesetzt, es habe Diskussionen um die Mitnahme des koscheren Essens gegeben, und eine katholische Nonne sei als Seelsorgerin geschickt worden. Der 33-Jährige fügte hinzu, er werde für den Rest seines Lebens an die beiden Mordopfer denken, und appellierte, dass alle die Verantwortung für eine bessere Welt trügen.

ZWEI TOTE Vor dem Oberlandesgericht Naumburg läuft seit dem 21. Juli der Prozess gegen den Sachsen-Anhalter Stephan B. Die Verhandlung findet aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt.

Der Angeklagte hatte zu Prozessbeginn eingeräumt, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort begingen zu dem Zeitpunkt 52 Beter Jom Kippur. Nachdem er nicht in die Synagoge gelangt war, erschoss der Mann eine zufällig vorbeikommende 40 Jahre alte Passantin und später einen 20-Jährigen in einem Dönerimbiss. dpa/epd

Senat

Mehrere Berliner Abgeordnete verlassen Linkspartei

Wegen eines Antisemitismus-Streits kehren einige Politiker der Linkspartei den Rücken - auch der ehemalige Senator Klaus Lederer

 23.10.2024

Straßburg

Alle Klarheiten beseitigt

Der Streit über EU-Gelder für die Palästinenser und die UNRWA entzweit das Europäische Parlament

von Michael Thaidigsmann  23.10.2024

USA/Israel

FBI übernimmt Ermittlungen nach Geheimdienstleck

Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff gegen den Iran gelangten an die Öffentlichkeit. Wer steckt dahinter?

 23.10.2024

Washington D.C.

Trump wollte »Militärs wie Hitlers Generäle«

Sein ehemaliger Stabschef John Kelly erinnert sich an höchst problematische Aussagen

 23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Antisemitismus

Auch in Halle Stolpersteine gestohlen

In Halle wurden ebenfalls Stolpersteine aus dem Boden gebrochen

 22.10.2024

USA

Israelfeindliche Gruppen an Unis werden immer radikaler

Auch an der Columbia University ist die Situation alarmierend

von Imanuel Marcus  22.10.2024

Umfrage

Grüne am ehesten für Waffenexporte nach Israel

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Waffenlieferungen an den jüdischen Staat jedoch ab

 22.10.2024