Österreich

Antisemitismus an Wiener Privat-Uni

Die Rektorin der Central European University, Shalini Randeria, reagierte spät auf die Vorwürfe. Foto: picture alliance / TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

In Österreich schlagen jüdische Studentenorganisationen Alarm. Das Problem: Judenhass und Antisemitismus-Vorfälle an der Central European University (CEU), die auch in Wien einen Campus betreibt. Kurz vor Chanukka versuchen sie, bei der österreichischen Politik Gehör zu finden.

Über diverse Vorfälle der vergangenen Wochen wollten Vertreter der jüdischen Studentenorganisationen zunächst mit der Rektorin der Uni, Shalini Randeria, sprechen. Ein Termin wurde ihnen jedoch bisher verwehrt. »Die Universitätsleitung der CEU reagiert seit zwei Monaten vollkommen unzureichend und gleichgültig auf die Hilferufe ihrer jüdischen Studierenden und deren Vertretungen«, erklärte Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH), gegenüber der Jüdischen Allgemeinen.

»Damit fördert sie zugleich ein Klima, das es jüdischen Studierenden zunehmend unmöglich macht, ihren Universitätsalltag frei von Antisemitismus zu bewältigen«, so Ishay.

»Zionists, get the fuck out

Am Wiener Campus der CEU wird der palästinensische Terror gefeiert. Jüdische Studenten könnten daher ihre jüdische Identität oder ihre Bezüge zu Israel nicht offen zu zeigen, sagt Alon Ishay. Sie fühlen sich nicht mehr sicher.

»In den Whats-App Chats der Uni wurden massenhaft terrorverherrlichende Inhalte und Nachrichten geteilt, darunter auch Rechtfertigungen des Massakers am Nova-Musikfestival«, sagt er. »Die Moderatorinnen und Moderatoren der Gruppe unterstützten diese Positionen und schlossen jüdische Gegenstimmen aus der Gruppe aus.«

Auch offline ist auf dem Campus purer Judenhass zu spüren: »Auf einer von der CEU-Studierendenvertretung finanzierten Feier riefen Studierende »Zionists, get the fuck out!« und stellten einen jüdischen Studierenden mit Davidstern-Kette bloß«, erinnert sich Ishay.

Beschwerde abgelehnt

Ihm zufolge reichten jüdische CEU-Studenten aufgrund der zahlreichen antisemitischen Vorfälle einen Beschwerdebrief beim Disziplinarkomitee der Universität ein, das für Antidiskriminierung zuständig ist. »Das Komitee wollte seinerseits aber keine Hassrede oder Desinformation feststellen und lehnte die Beschwerde ohne weiteres mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit ab.«

In der Wiener Privat-Uni wurden die Massaker der palästinensischen Terrorgruppe Hamas, bei denen 1200 Israelis ermordet und 240 als Geiseln genommen wurden, von Antisemiten verteidigt: »Seitens der Studierendenvertretung wurde ein Brief des Free Palestine Collective an alle CEU-Studenten verschickt, welcher die Hamas-Gräuel des 7. Oktobers zum Widerstand erklärte.«

Mittlerweile hat sich die Studierendenvertretung immerhin für ihren Umgang mit Antisemitismus entschuldigt und sich von den Inhalten des Briefs vollkommen distanziert. Nun macht sich die Organisation für einen adäquaten Umgang mit antisemitischen Vorfällen auf institutioneller Ebene stark.

BDS bei der CEU

Zudem finden an der CEU Events mit Vertretern der antisemitischen BDS-Bewegung statt. Eine Veranstaltungsreihe der Israel-Hasser im November wurde von der staatlichen Universität Wien abgesagt. CEU-Rektorin Randeria öffnete ihren Campus aber für die BDS-Mitglieder. Auch soll sie bei einem Vortrag über die Hamas Ende November selbst anwesend gewesen sein. Unter dem Gelächter eines Pro-Terror-Mobs verließ ein israelischer Professor während dieser Veranstaltung den Saal.

»Seitens der Universitätsleitung zeigt sich ein absolut zahnloser und ignoranter Umgang mit Antisemitismus«, sagte der Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen dieser Zeitung. »Eine Universitätsleitung, die jüdische Studierende nicht schützen kann, ist für dieses Amt vollkommen ungeeignet.«

Zu dem Juden- und Israelhass-Problem an der CEU sagt die österreichische Politik bisher nichts - von einer Erklärung der Stadt Wien abgesehen: »Die mediale und politische Reaktion auf die untragbare Situation an der CEU steht noch aus«, so Alon Ishay.

Israelfeindliche Manifestationen

Benjamin Nägele, der Generalsekretär für jüdische Angelegenheiten
bei der Israelitische Kultusgemeinde Wien, kennt das Problem. »Wir haben es – wie auch die jüdischen Gemeinden in Deutschland – seit dem 7. Oktober mit einer massiven Zunahme israelfeindlicher Manifestationen und entsprechend vielen antisemitischen Vorfällen zu tun«, sagt er.

»Das betrifft leider auch Schulen und Universitäten, wo Juden und Jüdinnen gezielt drangsaliert und teilweise bedroht werden. Während an öffentlichen Hochschulen sowohl Studentenvertretungen als auch die Rektoren dagegen vorgehen und den Schutz jüdischer Studierender verstärkten, geschieht dies an der CEU offenkundig nicht. Dies wiederum bestärkt die Apologeten der Hamas«, betont Nägele.

Zunächst sei das Rektorat gefragt. »Israelfeindliche Propaganda hat an einer Hochschule absolut nichts verloren und Gefährder sollten verwarnt beziehungsweise suspendiert werden.« Nägele fordert, das Rektorat müsse unter allen Umständen sicherstellen, »dass jede Studentin und jeder Student sicher und ohne Angst ihr Studium absolvieren kann. In weiterer Folge sind die Behörden gefragt, jene die zuständig für die Hochschulen sind, ebenso wie Polizei und Justiz.«

Verschärfte Schutzmaßnahmen

Genau wie in Deutschland sind viele Juden in Österreich seit dem 7. Oktober generell verängstigt. Laut Benjamin Nägele sind Gemeindemitglieder noch enger zusammengerückt. Ihm zufolge halten sie mit religiösen und kulturellen Aktivitäten dagegen.

»Leider mussten die ohnehin stark ausgebauten Schutzmaßnahmen nochmals verschärft werden. Doch diese stellen sicher, dass tägliche Gebete in den Synagogen weiter stattfinden, jüdische Kindergärten und Schulen sowie Veranstaltungen sicher besucht werden können«, erklärt Nägele. Auch diese Aspekte erinnern an die Situation in der benachbarten Bundesrepublik Deutschland.

Etwas Zuversicht verbreitet er trotz allem: »Zwar haben wir es mit einer rund 400-prozentigen Zunahme gemeldeter antisemitischer Vorfälle im Vergleich zu 2022 zu tun. Doch gleichzeitig wissen die Juden und Jüdinnen in Österreich große Teile der Bevölkerung und der Politik auf ihrer Seite.«

Erklärung der CEU

Die Rektorin Shalini Randeria antwortete nicht direkt auf eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen. Eine andere Vertreterin der CEU verwies jedoch auf eine Erklärung der Uni. Darin heißt es, das Bildungsinstitut wolle »Missverständnisse ausräumen« und »Möglichkeiten diskutieren«, wie Studenten dabei geholfen werden könne, sich sicher zu fühlen.

Laut CEU ist die jüngsten Erklärung der JöH, mit der »Behauptung«, es gebe Antisemitismus an der Universität, »sehr verletzend«. Sie stelle zudem »eine Falschdarstellung der Uni, ihrer Mission, Aktivitäten und Werte« dar. Die CEU sei dabei, die JöH zu kontaktieren, hieß es.

In der Erklärung versicherte die Central European University, sie nehme die eingegangenen Beschwerden über Antisemitismus ernst. Die Rektorin sei in Kontakt mit Studenten, die ihre Besorgnis geäußert hätten.

Kein Platz für Judenhass

»Um eines ganz klar zu sagen: Wir dulden keine Form der Belästigung oder Diskriminierung. Antisemitismus und alle Formen von Hassreden haben an der CEU keinen Platz«, so die späte Reaktion der Universität.

Auch die Stadt Wien nahm Stellung zum Vorwurf des Judenhasses an der CEU. Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler erklärte, Antisemitismus und Islamophobie hätten in der Stadt keinen Platz. »Ich nehme die Vorwürfe, welche die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) in Bezug auf eine Veranstaltungsreihe an der CEU öffentlich erhoben haben, sehr ernst.«

»An den Universitäten, wo nächste Generationen ausgebildet werden, darf kein diffamierender Ton Einzug halten. Sie müssen ein Forum des freien Wortes und des Diskurses sein. Die akademische Freiheit verlangt dabei immer den differenzierenden Dialog.« Ein erstes Gespräch mit Rektorin Randeria habe bereits stattgefunden.

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