Halle

Angriff an Jom Kippur

Polizisten sichern die Umgebung vor der Synagoge in Halle Foto: dpa

Bei Angriffen mitten in Halle/Saale haben schwer bewaffnete Täter vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen.

In der Synagoge hielten sich 70 bis 80 Menschen auf.

Die Stadt Halle sprach am Mittwoch von einer »Amoklage«. Die Polizei teilte am Mittag mit, mehrere bewaffnete Täter seien mit einem Auto auf der Flucht. Am frühen Nachmittag meldete die Polizei die Festnahme einer Person.

Ermittlungen Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen an sich – wegen Mordes von besonderer Bedeutung. Ob es sich um eine antisemitische Tat handelt, sei noch unklar, sagte ein Sprecher in Karlsruhe.

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, richtete sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge, in der zu dem Zeitpunkt 70 bis 80 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten.

»Ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr hat versucht, unsere Türen aufzuschießen.»Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Halle

Kameras »Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen«, sagte Privorozki der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten«. »Aber unsere Türen haben gehalten.« Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte der Vorsitzende.

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Auch Stunden nach den Taten gab die Polizei keine Entwarnung. Die Stadt rief die Bürger überall in Halle dazu auf, in Sicherheit in Gebäuden zu bleiben.

Polizei Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, die Hintergründe der Tat seien noch nicht bekannt. Die Polizei warnte vor Spekulationen.

Etwa 30 Meter vor der Synagoge lag am frühen Nachmittag ein Todesopfer auf der Straße mit einer blauen Decke bedeckt gegenüber der Synagoge, wie ein dpa-Reporter berichtete. Zudem soll nach Augenzeugenberichten ein Täter in einem Kampfanzug mit einem Gewehr in einen Döner-Laden geschossen und einen Besucher getötet haben.

Ein Polizeisprecher sagte dem »Spiegel«, ein Mann sei in einem Imbiss getötet worden. Das andere Opfer in der Nähe der Synagoge sei eine Frau. Auf dpa-Anfrage wollte die Polizei zu den Opfern zunächst nichts offiziell sagen, weder zum Geschlecht, noch wo sie gefunden wurden. Die Gegend um das Lokal – etwa 600 Meter entfernt von der Synagoge – war abgesperrt.

Es gab mindestens zwei weitere Verletzte. Sie wurden in das Universitätsklinikum Halle gebracht. »Ein Patient hat Schussverletzungen und wird gerade operiert«, sagte ein Kliniksprecher.

Video Die »Mitteldeutsche Zeitung« aus Halle zeigte ein Foto, auf dem ein dunkel gekleideter Mann mit Helm und Stiefeln zu sehen ist, der ein Gewehr im Anschlag hat. Der MDR zeigte ein Video, auf dem womöglich derselbe Mann aus einem Auto aussteigt und mehrfach seine Waffe abfeuert.

Auch in Landsberg, rund 15 Kilometer östlich von Halle, gab es Schüsse, bestätigte eine Polizeisprecherin in Halle. Menschen sollen auch hier Gebäude und Wohnungen nicht verlassen, hieß es. Die Zufahrt zu dem Ortsteil Wiedersdorf war abgesperrt.

Die Stadt Halle sprach am Nachmittag von einer »Amoklage« und berief einen Krisenstab ein.

Mehrere Mannschaftswagen der Polizei, darunter auch Fahrzeuge aus Sachsen, waren vor Ort. Auch zwei Krankenwagen waren zu sehen. Am Mittwochnachmittag gegen 16.00 Uhr landete auf einem Feld bei Wiedersdorf nach Angaben eines dpa-Reporters zudem ein Hubschrauber der Bundespolizei. Angaben zu den Hintergründen machte die Polizei nicht.

Krisenstab Die Stadt Halle sprach am Nachmittag von einer »Amoklage« und berief einen Krisenstab ein. Alle Rettungskräfte der Feuerwehr seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Polizei zog seit den Mittagsstunden alle verfügbaren Kräfte in Sachsen-Anhalt ab und verlegte sie nach Halle.

Im benachbarten Leipzig verstärkte die Polizei ihre Kräfte vor der Synagoge. Auch vor der Synagoge in Dresden wurde nach Angaben der Polizei der Schutz erhöht. In anderen deutschen Städten wurde der Schutz ebenfalls entsprechend verstärkt.

Das Europaparlament legte eine Schweigeminute für die Opfer ein.

Der Bahnhof von Halle wurde wegen polizeilicher Ermittlungen gesperrt. Das teilte das Unternehmen über Twitter mit. Es komme zu Verspätungen. Die Bundespolizei verstärkte ihre Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen in Mitteldeutschland. Das gelte auch für die Verkehrswege nach Polen und Tschechien, hieß es.

Reaktionen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich entsetzt über die Tat. »Es wurden durch sie nicht nur Menschen aus unserer Mitte gerissen, sie ist auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land.« Er kehrte von einer Konferenz in Brüssel vorzeitig zurück.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung hoffe, dass der Täter oder die Täter schnell gefasst würden. Die Gedanken gingen »an die Freunde und die Familien der Todesopfer«, sagte er.

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Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte: »Schreckliche Nachrichten aus Halle, heute am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur. Ich bin erschüttert & traurig.« Allen Verletzten und Angehörigen wünschte er viel Kraft und dankte den Einsatzkräften.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schrieb auf Twitter: »Am höchsten jüdischen Feiertag ein Anschlag auf jüdisches Leben in Deutschland – ekelhaft! Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz haben.«

Die Antisemitismusbeauftragte von Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger twitterte:

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Schweigeminute Auch aus dem Ausland kamen bestürzte Reaktionen. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald Lauder, dankte den deutschen Behörden für ihre Unterstützung, forderte aber weitergehende Maßnahmen.

Es sei leider an der Zeit, dass alle jüdischen Einrichtungen verschärft und rund um die Uhr von der Polizei überwacht werden müssten, sagte Lauder. »Wir müssen außerdem sofort eine vereinte Front gegen Neonazis und andere Extremistengruppen gründen, die unser Wohlergehen bedrohen.«

Das Europaparlament legte am eine Schweigeminute für die Opfer ein. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.

Das Europaparlament legte am eine Schweigeminute für die Opfer ein.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker richtete nach dem Angriff auf die Synagoge einen eindringlichen Appell an die europäische Öffentlichkeit. »Der zunehmende Antisemitismus muss alle Europäerinnen und Europäer zum Handeln aufrufen«, teilte er am Mittwochabend über Twitter mit. Er sei »zutiefst schockiert« über die Nachricht von den mörderischen Anschlägen.

»Meine Gedanken und Gebete sind bei den Familien und Freunden der Opfer und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und ganz Europa, die in den letzten Jahren immer wieder Ziel antisemitischer Angriffe wurde«, schrieb der Luxemburger weiter. »Wir stehen an diesem Tag in Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft.«  dpa/ja

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