Diaspora

Alle in einem Boot

Auf die Harmonie kommt es an, wenn man vorankommen will – sportlich und politisch. Foto: imago

Weltweit – und insbesondere in den westlichen Demokratien – erleben wir gegenwärtig, wie das Israel-Bashing immer mehr in Mode kommt. Die Obsession der Vereinten Nationen im Umgang mit dem jüdischen Staat ist wohlbekannt, nicht nur im Genfer Menschenrechtsrat. Bei Sportveranstaltungen werden israelische Athleten oft ausgegrenzt oder durch lautstarke politische Proteste gestört, wie jüngst bei einem Damen-Tennisturnier in Neuseeland. Gewerkschaften verlangen Sanktionen und einen Wirtschaftsboykott gegen Jerusalem. Viele Medien und einige Menschenrechtsgruppen haben sich regelrecht auf den jüdischen Staat eingeschossen. Jüngst warf der Gründer von Human Rights Watch seiner Organisation vor, sie behandle Israel wie einen Paria-Staat.

Was hat all das mit uns Juden in der Diaspora zu tun? Sehr viel! Denn wir spüren am eigenen Leib die Auswirkungen des Israel-Bashings – egal, wie wir als Juden persönlich zum Nahostkonflikt stehen. Die Gegner Israels messen oft mit zweierlei Maß. Manche von ihnen hegen Vorurteile gegen Juden. Aber auch diejenigen, bei denen dies nicht zutrifft, fachen durch unfaire, einseitige Kritik an Israel den Antisemitismus an.

diplomatie Die Folgen sind immer wieder auf unseren Straßen und Plätzen zu erleben. Nach den Militäraktionen Israels im Libanon 2006 und 2009 in Gasa stieg die Judenfeindschaft in Europa sprunghaft an. Die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden in der Diaspora stemmten sich mutig gegen die Welle der Kritiker und wiesen falsche Unterstellungen zurück. Sie waren sich bewusst, dass dies außer den Juden nicht viele andere tun würden. Die Lektion daraus lautet: Wir müssen unsere Gemeindeorganisationen stärken, uns auf allen Ebenen besser abstimmen und vor allem junge, talentierte Juden für unsere Arbeit gewinnen. Beim Jüdischen Weltkongress ist ein erster Schritt in diese Richtung gemacht worden: Seit einigen Jahren gibt es das World Jewish Diplomatic Corps, in dem junge, tatkräftige »jüdische Diplomaten« aus zahlreichen Ländern mitarbeiten, um die politischen Belange ihrer Gemeinden zu vertreten.

Wer glaubt, man könne den Nahost-Friedensprozess voranbringen, indem Israel dazu gezwungen wird, schmerzhafte Kompromisse zulasten seiner eigenen Sicherheit zu machen, täuscht sich gewaltig. Nur ein starkes, selbstwusstes Israel, das auf Unterstützung im Westen zählen kann, wird einen Friedensvertrag unterschreiben. Das müssen wir den Politikern und Journalisten in unseren Ländern immer wieder klarmachen und sie davor bewahren, den jüdischen Staat einseitig an den Pranger zu stellen. Vielen von uns Diaspora-Juden ist es eine Herzensangelegenheit, Israel zu unterstützen. Wir müssen uns dafür nicht schämen.

Koalitionen Das aber hat Folgen für die Arbeit jüdischer Organisationen. Es gibt viele Vereine und Gruppierungen in der Diaspora, die sich im Grunde für das Gleiche einsetzen, vielleicht zu viele. Entscheidend ist, dass sie sich nicht durch Kleinkariertheit bei der Durchsetzung ihrer persönlichen Ambitionen hervortun, sondern zu einer konstruktiven Zusammenarbeit finden. Wenn wir das nicht schaffen, wird sich niemand mehr für unsere Ansichten interessieren. Wir müssen Kräfte bündeln und die Doppelzüngigkeit der Israel-Kritiker entlarven. Bei der UN-Antirassismuskonferenz in Genf 2009 erwies sich, dass die dafür formierte »Koalition jüdischer Organisationen« erfolgreich war.

So weit die Gegenwart. Und wo stehen wir in zehn Jahren? Wahrscheinlich wird die Unterscheidung zwischen Juden in Israel und in der Diaspora bald irrelevant sein. Mit der Globalisierung sind wir alle mehr oder weniger denselben Herausforderungen ausgesetzt, gleichgültig, ob in Israel, Amerika oder Europa. Als Beispiele seien hier genannt der Antisemitismus, die Bedrohung durch islamistische Terrorgruppen und die sich öffnende Schere zwischen religiösen und säkularen Juden –mit den entsprechenden Folgen für unsere Gemeinden.

Die alte Debatte, ob alle Juden nach Israel auswandern sollten, wird wohl in Zukunft weniger scharf geführt werden. Schon heute ist es das Land mit der weltweit größten jüdischen Bevölkerung. Seine Stärke hängt aber nicht nur von der zahlenmäßigen Überlegenheit ab, sondern auch davon, ob es dem jüdischen Staat gelingt, ein internationales Kraftzentrum in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik zu bleiben. Gerade hier sollten wir Israel unterstützen.

Diejenigen, die unablässig versuchen, einen Keil zwischen Israel und die jüdische Diaspora zu treiben, dürfen auf gar keinen Fall Erfolg damit haben.

Der Autor ist Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), des Dachverbandes der jüdischen Gemeinden in 92 Ländern.

Krieg

Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel ab. Drei Tote

Die Mullahs holen erneut zu einem Angriff auf den jüdischen Staat aus

 14.06.2025

Meinung

Nie wieder Opfer!

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen war unausweichlich. Denn eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte lautet: Wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden

von Michael Wolffsohn  14.06.2025

Thüringen

Verfassungsschutzchef warnt vor islamistischen Anschlägen gegen jüdische und israelische Einrichtungen

Kramer: Wir müssen davon ausgehen, dass die Hemmschwelle weiter sinken wird, auch gewalttätig zu werden

 13.06.2025

Gerhard Conrad

»Regime Change im Iran wäre noch wichtiger als die Zerstörung der Atomanlagen«

Der Ex-BND-Geiselunterhändler und Nahostexperte zum israelischen Militärschlag gegen den Iran und die Konsequenzen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  13.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025

Angriff auf Iran

Dobrindt hält Israels Angriff für richtig

Die Operationen seien Israels Sicherheit dienlich, sagt der deutsche Innenminister. Die Sicherheitsbehörden wappnen sich für mögliche Folgen in Deutschland

 13.06.2025

Bundesregierung

»Das Ziel muss sein, dass Iran keine Nuklearwaffen entwickelt.«

Regierungssprecher Stefan Kornelius äußerte sich in Berlin zum israelischen Angriff auf Ziele im Iran und dem Recht Israels auf Selbstverteidigung

 13.06.2025

Schlag gegen Iran

Israelische Botschaften geschlossen

Der Krieg zwischen Israel um dem Iran hat Folgen in Berlin und anderen Hauptstädten. Die diplomatischen Vertretungen des jüdischen Staates arbeiten aus Sicherheitsgründen nicht

 13.06.2025