Abraham Geiger Kolleg

Universität Potsdam bestätigt Vorwürfe des Machtmissbrauchs

Eine von der Universität Potsdam beauftragte Untersuchungskommission sieht den Vorwurf des Machtmissbrauchs gegen Rabbiner Walter Homolka im Bereich der Jüdischen Theologie an der Hochschule bestätigt.

Nicht nachweislich bestätigt hätten sich hingegen die Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens Hartmut Bomhoff, Lebenspartner von Homolka, heißt es in dem Bericht der Kommission, der am Mittwoch in Potsdam veröffentlicht wurde.

Warum in der Untersuchung nicht auf die die Vorwürfe gegen Bomhoff eingegangen wurde, erklärte Kommissionsleiterin Wolff wie folgt: »Es hat sich bestätigt, dass es Bildmaterial gab, was verschickt wurde von Herrn Bomhoff an Studierende. Da Herr Bomhoff aber kein Mitarbeiter der Universität Potsdam ist und wir eine universitäre Untersuchungskommission sind und der Vorfall auch schon am Abraham Geiger Kolleg untersucht wurde, haben wir uns dem nicht weiter gewidmet, sondern uns darauf fokussiert, ob Herr Homolka, als Professor unserer Universität das geduldet hat, davon Kenntnis hatte oder das auch unterstützt hat.«

Die Untersuchungskommission war im März vom Universitätspräsidenten Oliver Günther eingesetzt worden und untersuchte »Vorwürfe der sexualisierten Diskriminierung, des Machtmissbrauchs und des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Institut für Jüdische Theologie«.

ÄMTERHÄUFUNG Der Bericht stellt fest, dass Homolka Mitglied in sehr vielen Gremien im In- und Ausland sei. Diese Anhäufung von einflussreichen Ämtern und öffentlichen Ehrungen sei zwar nicht als solche als Machtmissbrauch zu bewerten, erhöhe aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher vorliege, folgerte das Gremium. »Die Häufung von Leitungsfunktionen, das besondere Gewicht eingeforderter persönlicher Loyalität zu einer als mächtig angesehenen Person kann durchaus als bedrohlich wahrgenommen werden und tatsächlich bedrohlich sein, wenn das Missfallen der starken Persönlichkeit zum Ende einer Berufslaufbahn führen kann«, so der Bericht. 

Günther räumt am Mittwoch hierzu ein: »Wir, aber auch so manch andere Einrichtungen, hätten vielleicht mal genauer hinschauen müssen, wer da eigentlich wen kontrolliert.« Da hätten Aufsichtsrate und andere Strukturen hingehört, betont er.

Auch sei in den Anhörungen mehrfach angesprochen worden, »dass mehreren Personen aufgrund ihres Verhaltens der angestrebte berufliche Werdegang verwehrt oder zumindest erschwert worden sei.« Im Bericht heißt es weiter: »Viele der Befragten gaben zu Protokoll, dass Herr Homolka ein ›Klima der Angst‹ geschaffen habe, das sich auf das Handeln von Studierenden und von Mitarbeitern einschränkend ausgewirkt habe.« Mehrfach sei berichtet worden, dass der Rabbiner »in unterschiedlichen Situationen mit lauten emotionalen Ausbrüchen in die Kommunikation eingriff.«

Zu dem ebenfalls erhobenen Vorwurf, Homolka habe wichtige akademische Veröffentlichungen nicht selbst verfasst, wollte die Kommission kein abschließendes Urteil fällen, schlug aber die Durchführung weitergehender Untersuchungen vor. Nachforschungen zu Vorwürfen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens stünden erst am Anfang. Das fünfköpfige Gremium empfahl ferner die Einrichtung unabhängiger Kontrollgremien, die Förderung von Transparenz und eine Entflechtung von Leitungsfunktionen.

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Im Mai waren Vorwürfe sexualisierter Belästigung durch einen Dozenten am Geiger-Kolleg in einem Bericht der »Welt« öffentlich geworden. Das rechtlich eigenständige Rabbinerseminar Abraham Geiger Kolleg bildet seit 2001 Geistliche der liberalen Strömung des Judentums aus.

Die Kommission wertete Protokolle, Gespräche und Verträge aus. Überdies sprach sie den Angaben zufolge mit 20 Studierenden, Mitarbeitenden und Angestellten der Universität und des Instituts sowie des Kollegs. Homolka lässt seit dem Aufkommen der Vorwürfe im Mai seine öffentlichen Ämter ruhen.

Die Kommission stand unter Leitung der Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Christina Wolff. Dem Bericht zufolge gehörte der Kommission anfangs auch Rabbiner Andreas Nachama an, welcher allerdings bereits eine Woche nach Aufnahme der Arbeit seinen Rücktritt erklärte.

disziplinarverfahren Die Universität sah offenbar keine Grundlage für ein Disziplinarverfahren gegen Homolka. Er sei daher seit 1. Oktober wieder als Professor der Universität im Dienst. »Soweit wir nach erster Sicht des Berichts sehen, ergeben sich keine straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen und damit auch keine beamtenrechtlichen Konsequenzen«, sagte der Präsident der Universität, Oliver Günther, am Mittwoch.

Das Abraham Geiger Kolleg teilte am Mittwochvormittag nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Untersuchungskommission der Universität Potsdam mit, dass es sich durch in seinen geplanten Inhalten der Neustrukturierung bestätigt sieht.

»Ohne die Vorgänge am AGK relativieren zu wollen«, teilte das Geiger-Kolleg mit, »lassen sich derartige Muster sicherlich vielfältig im akademischen Umfeld beobachten. Wir wollen intensiv mit der Universität Potsdam auch bei der Lösung dieser Fragen zusammenarbeiten. Die Verbindung rabbinischer Ausbildung mit dem Studium der Jüdischen Theologie in Potsdam ist national und international von größter Bedeutung. Das gilt es für die nächsten Generationen nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken.«

Homolka bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er sei »kein Vertuscher und kein Belästiger«, sagte der Gründer des Geiger-Kollegs im Interview der »Zeit« (Donnerstag). Er räumte aber ein, dass die Strukturen der Gremien des Kollegs »vielleicht nicht ideal« gewesen seien. Sie müssten nun erneuert werden. Mit Blick auf seine Leitungsfunktion erklärte er: »Ja, ich war Chef und hatte Macht. Doch Machtgebrauch ist nicht schon Machtmissbrauch.«

»Doch mich wundert, dass sich jahrzehntelang niemand daran störte, dass ich viele, meist arbeitsintensive Ämter bekleidete«, so Homolka weiter. Er habe auch die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen nicht von loyalem Verhalten abhängig gemacht: »Richtig ist, dass ich von Mitarbeitern Loyalität erwarte.« Gleichwohl gebe ihm insgesamt »die Vehemenz der Kritik« zu denken: »Da ist ein Konflikt, der mit mir zu tun hat, und der muss gelöst werden.«

zentralrat Der Zentralrat der Juden in Deutschland lässt parallel die Vorwürfe von der Kölner Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger prüfen. Ende September hatte der Zentralrat bekannt gegeben, die Ermittlungen auszuweiten.

Lückenlose, vorbehaltlose und unabhängige Aufklärung sei oberstes Gebot, betonte Zentralratspräsident Josef Schuster Ende September in diesem Zusammenhang: »Wir müssen möglichst verhindern, dass im Rahmen der Untersuchung einzelne, eventuell relevante Bereiche ausgespart werden und dadurch nach Veröffentlichung des Gutachtens Raum für Vorwürfe entstehen könnten, die Aufklärung sei fragmentarisch oder halbherzig betrieben worden.«

Massive Kritik an Walter Homolka äußerte vergangene Woche Achim Doerfer, stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Göttingen, die der Union progressiver Juden (UpJ) angehört.

Seiner Ansicht nach ist die UpJ tief gespalten. »Ich habe kein Vertrauen mehr. Niemand darf einen Zweig des Judentums in die Krise stürzen, weil er mit ungewissem Ausgang allein juristisch agieren will. Die einzig richtige Lösung: Rücktritt und ein echter Neuanfang, der nur mit weitreichenden Umbrüchen gelingen kann«, forderte Doerfer, der auch Vize-Chef des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden von Niedersachsen ist. ja/epd/kna/dpa

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