Fast 26.000 Verfolgte des Nazi-Regimes oder deren Nachfahren haben seit 2019 nach Angaben von Außenminister Alexander Schallenberg die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. »Die österreichische Staatsbürgerschaft gibt vielen Nachkommen jener Menschen, die vor Jahrzehnten grausam ihrer Identität beraubt wurden, einen wichtigen Teil ihrer Familiengeschichte zurück«, sagte Schallenberg am Dienstag in Wien anlässlich einer Buchpräsentation über das Schicksal von 15 Neubürgern.
Dieser Schritt von Menschen, die vor allem aus den USA, Israel und Großbritannien kommen, sei ein Zeichen des Vertrauens in das Land, sagte Schallenberg weiter. Der Nationalrat hatte 2019 einstimmig eine entsprechende Gesetzesnovelle zum Staatsbürgerschaftsrecht beschlossen.
Spätes Eingeständnis der Mitschuld
Inmitten eines auch in Europa wachsenden Antisemitismus sei Österreich ein Land, das eindeutig auf der Seite Israels stehe, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch. »Österreich kann immer öfter als sicherer Hafen für Juden wahrgenommen werden.« Das sei angesichts der jahrzehntelangen Leugnung der Mitverantwortung für den Holocaust nicht selbstverständlich. Österreich hatte sich lange selbst als erstes Opfer von Diktator Adolf Hitler gesehen. Erst 1991 hatte der damalige Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) die Mitschuld Österreichs an den Nazi-Gräueln als erster Regierungschef öffentlich bedauert.
Die Motive, wieder oder erstmals Österreicher und Österreicherin zu werden, sind sehr unterschiedlich. Der in Großbritannien lebende Alex Boyt, Urenkel des Begründers der Psychoanalyse, Sigmund Freud, bekennt in dem Buch freimütig, dass ihn der Brexit bewogen habe, durch einen Pass Teil der EU zu bleiben. »Ich hatte mir einen Pass erhofft, doch habe ich viel mehr bekommen - ein Gefühl der Zugehörigkeit und eine Einladung, meine Herkunft zu erforschen«, schreibt er weiter. Die 95-jährige, äußerst vital wirkende Anwältin Evelyn Konrad aus den USA will nach eigenen Worten als »Stimme der neuen Bürger« auch in Österreich das machen, was sie seit langem in ihrer Heimat mache: gegen korrupte Regierungen und gierige Unternehmer kämpfen.
Deutschland gewährt seit 2021 Verfolgten des Nazi-Regimes und deren Nachkommen einen gesetzlichen Anspruch auf einen deutschen Pass. dpa