Rückblende

1980: Gründung der »Jüdischen Gruppe Frankfurt«

Heimliche Hauptstadt des bundesdeut-schen Judentums: Frankfurt am Main Foto: imago

Rückblende

1980: Gründung der »Jüdischen Gruppe Frankfurt«

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 35

von Michael Brenner  01.07.2013 18:38 Uhr

Die jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik hatten von Anfang an ihre eigene Geografie. München war während der ersten Nachkriegsjahre der Mittelpunkt jüdischen Lebens. Hier waren die Zentren der Displaced Persons und der amerikanischen Hilfsorganisationen. Düsseldorf wurde ab den 50er-Jahren zum Sitz der deutsch-jüdischen Institutionen, allen voran des Zentralrats und der Jüdischen Allgemeinen.

Die heimliche Hauptstadt des jüdischen Lebens aber war über mehrere Jahrzehnte hinweg Frankfurt am Main. Als Finanzmetropole und geografischer Mittelpunkt der alten Bundesrepublik zog sie in den 50er- und 60er-Jahren jüdische Zuwanderer an wie keine zweite Stadt. Die größte Kommune Hessens bot ihnen in der Zeit des bundesdeutschen Wirtschaftswunders weitaus mehr Chancen als andere Städte. Gleichzeitig wehte um die Universität und das städtische Kulturleben ein Hauch des Aufbruchs, wie man ihn anderswo in der Bundesrepublik nicht fand. So bildete sich am Main eine weltoffene, fortschrittliche und mitunter revolutionäre politische Szene heraus.

intellektuelle Es war daher kein Zufall, dass sich ausgerechnet in Frankfurt 1980 die erste »Jüdische Gruppe« bildete. Um Intellektuelle wie Dan Diner, Micha Brumlik und Cilly Kugelmann herum entstand ein kritisches Forum, das die offizielle Gemeindepolitik ebenso hinterfragte wie die israelischen Regierungspositionen.

Zunächst einmal war die Jüdische Gruppe als Austausch unter Intellektuellen, die sich von den offiziellen Gemeindestandpunkten nicht mehr vertreten fühlten, von Bedeutung. Etwa 40 bis 50 Personen fühlten sich der Gruppe zugehörig und formierten alternative Ansichten zu Fragen der »Mischehe« oder der deutsch- jüdischen Identität. Aus der Gruppe ging die Zeitschrift Babylon hervor, in der zahlreiche Mitglieder ihre Spuren hinterließen.

Im Laufe der Jahre geriet Israel immer mehr in den Fokus der Debatten. Insbesondere nach dem Libanon-Krieg im Sommer 1982 richtete sich das Hauptaugenmerk der Jüdischen Gruppe auf die Politik des jüdischen Staates, gegen die man auch in der Öffentlichkeit demonstrierte. Die Zerrissenheit der israelischen Öffentlichkeit spiegelte sich in den innerjüdischen Debatten in Deutschland wider.

Zwischenzeitlich hatten sich ähnliche Gruppen in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Köln gegründet. In München war bereits 1979 die vom Bundesverband Jüdischer Studenten herausgegebene und von Ellen Presser, P. J. Blumenthal und Israel Feder redigierte Zeitschrift Cheschbon gegründet worden, in der Henryk Broder, Micha Brumlik und Maxim Biller Aufsätze veröffentlichten.

Diplomatie

Bosnien: Diplomatischer Eklat um Nazi-Helm an deutschen UN-Vertreter

Vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Jetzt flammt die Debatte um die politischen Nachwehen von Neuem auf. Im Fokus eines skandalösen Angriffs steht ein deutscher UN-Politiker

 20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025