Rückblende

1978: Nachmann und Filbinger

Umstritten: Werner Nachmann Foto: dpa

Rückblende

1978: Nachmann und Filbinger

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 33

von Michael Brenner  17.06.2013 17:35 Uhr

Im Frühjahr 1978 sorgte Rolf Hochhuth wieder einmal für Schlagzeilen. Der Dramatiker, der in den 60er-Jahren mit dem Stellvertreter die Debatte über das Schweigen des Papstes während der Schoa initiiert hatte, bezeichnete nun den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Filbinger, als »furchtbaren Juristen«, wegen seiner Tätigkeit als NS-Marinerichter im Zweiten Weltkrieg. Der CDU-Politiker fühlte sich verunglimpft und strengte eine Unterlassungsklage an. Daraufhin jedoch geriet der Ball erst richtig ins Rollen. Intensive Archivrecherchen begannen und ließen Filbingers Rolle in ungünstigem Licht erscheinen. Er war an vier Todesurteilen mitbeteiligt gewesen, an die er sich nicht mehr erinnern konnte oder wollte.

schützenhilfe In der heftigen Diskussion um Filbinger erhielt dieser unerwartete Schützenhilfe. Der Vorsitzende des Zentralrats, Werner Nachmann, unterstrich in einem Brief vom 29. Mai an den baden-württembergischen Regierungschef seine freundliche Verbundenheit mit Filbinger, dem er große Verdienste beim Aufbau der Bundesrepublik bescheinigte. Nachmann ging so weit, die Angriffe gegen Filbinger mit den Anfeindungen gegen demokratische Politiker der Weimarer Republik zu vergleichen: »Die unwürdigen Angriffe in der Weimarer Republik gegen hervorragende Männer wie Friedrich Ebert, Matthias Erzberger, Walter Rathenau und Gustav Noske haben mit dazu beigetragen, das damalige Staatsgefüge zu zerstören und damit den Weg für den Nazismus mit seinen verheerenden Folgen zu öffnen.«

Nachmanns Solidarität nützte Filbinger am Ende recht wenig. Drei Monate später musste er von seinem Amt zurücktreten, nicht ohne seine Unschuld bis zuletzt zu betonen. Nachmann war nun seinerseits Kritik innerhalb der jüdischen Gemeinschaft ausgesetzt. Sein alter Rivale Heinz Galinski kritisierte den »Freibrief«, den Nachmann für den belasteten Politiker ausgestellt hatte. Henryk Broder fühlte sich von »Berufsjuden« wie Nachmann nicht mehr vertreten und schrieb über den Zentralratsvorsitzenden später, wäre das deutsche Judentum nicht weitgehend ausgelöscht worden, »dann wäre er (Nachmann, Anm. d. Red.) in einem jüdischen Kegel- oder Gesangsverein stellvertretender Protokollführer geworden.«

affäre Vielen hatte Werner Nachmann als Mann der neuen Generation gegolten, als er 1969 im Alter von nur 44 Jahren an die Spitze des Zentralrats gewählt wurde. Trotz des Widerstands von Heinz Galinski hielt er sich länger als jeder andere in dieser Position und überstand auch die Filbinger-Affäre. Erst als er 1988 starb, wurde Nachmanns Ruf endgültig beschädigt. Es stellte sich heraus, dass er als Vorsitzender des Zentralrats über 30 Millionen D-Mark an Wiedergutmachungsgeldern veruntreut hatte.

Bayern

Josef Schuster: Jüdische Museen sichern Juden Platz in Deutschland

Das Jüdische Museum in Augsburg war bundesweit das erste seiner Art. Nun hat es seinen 40. Geburtstag gefeiert - mit hochrangigen Gästen

von Christopher Beschnitt  29.10.2025

Kritik

Karin Prien: Das kann Israel nicht hinnehmen

Statt der Leiche einer vermissten Geisel übergibt die Hamas sterbliche Überreste einer anderen Person. Bundesfamilienministerin Prien findet bei ihrer Israel-Reise klare Worte

 29.10.2025

Einspruch

Geraldine Rauch: Rücktritt reicht nicht

Erneut hat die Präsidentin der Technischen Universität Berlin bewiesen, dass sie die Interessen ihrer jüdischen Studierenden ignoriert. Doch das Problem geht über die Hochschulleitung hinaus

von Joel Ben-Joseph  29.10.2025

Auswanderung

Mehr Israelis wollen einen anderen Pass

Eine wachsende Zahl von Israelis kehrt dem jüdischen Staat den Rücken. Der aktuelle Konflikt verstärkt den Exodus. Zugleich sehen sich Auswanderer vor höheren Hürden auf dem Weg zum Zweitpass

von Burkhard Jürgens  29.10.2025

Berlin

Wadephul an Hamas und Israel: Gaza-Friedensplan einhalten

Der Außenminister reist erstmals nach Jordanien, Libanon und Bahrain. Im Mittelpunkt steht die weitere Umsetzung des Gaza-Friedensplans

 29.10.2025

Nordrhein-Westfalen

Projekt gibt Holocaust-Überlebenden »Stimme für Ewigkeit«

Es soll ein Erinnerungs- und Lernort gegen das Vergessen werden: Mit Hilfe von KI und moderner Technik werden in Essen persönliche Geschichten von Holocaust-Überlebenden für die Nachwelt gesichert

 29.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Kopenhagen

Terror-Anklage nach Explosionen nahe israelischer Botschaft

Vor etwa einem Jahr hallen nachts von Handgranaten ausgelöste Explosionen durch den Norden der dänischen Hauptstadt. Mehrere junge Schweden werden festgenommen. Sie müssen sich nun wegen Terrorismus verantworten

 29.10.2025

Düsseldorf

Liminski: NRW kann verwundete Kinder aus Gaza aufnehmen

Der nordrhein-westfälische Europaminister sagt, es müsse garantiert sein, dass die Kinder nach der Behandlung in ihre Heimat zurückkehren könnten

 29.10.2025