Rückblende

1977: Die jüdische Jugend tagt

Zu Gast beim Jugendkongress 1978: Juso-Chef Gerhard Schröder Foto: dpa

Rückblende

1977: Die jüdische Jugend tagt

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 32

von Michael Brenner  10.06.2013 18:33 Uhr

Jüdische Kulturtage gibt es heute allerorten. Man hört akademische Vorträge, sieht sich Theaterstücke an und tanzt zu Klezmermusik. Im Publikum sind manchmal auch ein paar Juden – für die sind die Jüdischen Kulturtage aber nicht gemacht.

Das war 1977, als die erste Jüdische Jugend- und Kulturtagung stattfand, ganz anders. Damals wurde erstmals unter der Ägide des Zentralrats heftig und kontrovers diskutiert – und zwar unter Juden. Eine von vielen als verkrustet angesehene jüdische Führungsschicht reagierte damit auf die Proteste der jungen Generation. Begonnen hatte alles mit einer vom Zentralrat 1976 eingesetzten Jugend- und Kulturkommission.

Im März 1977 kamen dann in Würzburg vor allem jüngere Gemeindemitglieder zusammen, um über »Die Zukunft unserer Gemeinden« zu sprechen. In Arbeitsgruppen zu Themen wie der Motivation der Jugend für das Judentum, der Zukunft des europäischen Judentums und der jüdischen Gemeinde als sozialem Zentrum kam es erstmals auf Bundesebene zu einem Dialog zwischen Gemeindeführungen und jungen Mitgliedern. Orthodoxe und Liberale waren ebenso vertreten wie Zionisten und Israelkritiker. Damals gab es neben dem Bundesverband Jüdischer Studenten noch den Bund Jüdischer Jugend, dessen Vertreter aktiv an der Durchführung dieser Tagungen beteiligt waren.

umbruch 1977 war ein Jahr des Umbruchs, nicht nur für die jüdische Jugend. In Israel kam die rechtsgerichtete Regierung Menachem Begins an die Macht, wenig später reiste der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat nach Jerusalem. Zwischen Landshut und Mogadischu, Stammheim und Köln veränderte sich Deutschland in jenem Herbst.

Man begann, zunehmend über die Nazivergangenheit zu sprechen, die dann auch bei der nächsten Jugend- und Kulturtagung 1978 in Dortmund das Hauptthema war. An einer Podiumsdiskussion nahm dort übrigens der frisch gewählte Bundesvorsitzende der Jusos, Gerhard Schröder, teil. In einem Bericht der Baseler Jüdischen Rundschau war vom »tumultartigen Charakter« in der Diskussion um eine mögliche »Kollaboration« zwischen jüdischen Repräsentanten und alten Nazis die Rede.

Sechs weitere Jugend- und Kulturtagungen folgten bis 1984. Die Entwicklung der allgemeinen Gesellschaft widerspiegelnd, verloren diese ihre anfängliche politische Brisanz. Als ab 1990 das neue Forum des Jugendkongresses gewählt wurde, war das Element des politischen Diskurses zunehmend in den Hintergrund getreten. Gemeinsam mit neueren Foren wie Tarbut oder Limmud ist ihnen aber allen gemeinsam, dass sie die Notwendigkeit erkannt haben, Räume für den innerjüdische Dialog zu schaffen.

Flensburg

Antisemitisches Schild löst Empörung aus

»Juden haben hier Hausverbot!« steht im Schaufenster eines Geschäftes. Aus der Lokalpolitik kamen deutliche Reaktionen

 18.09.2025

Antrittsbesuch

Merz reist nach Madrid: Differenzen in Haltung zu Israel

Insgesamt läuft es gut in den Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien. Bei einem Thema gibt es aktuell aber Streit

 18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Washington D.C./Jerusalem

Trump und Netanjahu: Zerwürfnis nach Doha-Angriff

Hinter den Kulissen soll der amerikanische Präsident einem Zeitungsbericht zufolge über den israelischen Regierungschef geschimpft haben

 18.09.2025

Doha

Nach Schlag in Katar: Hamas-Anführer gibt TV-Interview

Ghazi Hamad, der als Planer der Massaker vom 7. Oktober gilt, gibt sich als Opfer des »zionistischen Feindes«

 18.09.2025

Jubiläum

Stimme der Demokratie

Vor 75 Jahren wurde der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet. Heute hat das Gremium vielfältige Aufgaben und ist unverzichtbarer Teil dieses Landes

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Meinung

Sánchez missbraucht ein Radrennen für seine Israelpolitik

Dass Spaniens Regierungschef die Störer der Vuelta lobte, ist demokratieschwächend und gehört zu seinem Kalkül, Israel weltweit zu isolieren

von Nicole Dreyfus  17.09.2025

Zentralrat

Schuster: Zwei-Staaten-Lösung nach Friedensverhandlungen mit Israel

Ein jeweils selbstständiger Staat Israel und Palästina - dafür spricht sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland aus. Unter bestimmten Voraussetzungen

von Leticia Witte  17.09.2025