Michael Groys

Wohnen: Ein zeitweiliges Dach

Michael Groys Foto: privat

Michael Groys

Wohnen: Ein zeitweiliges Dach

Sukkot bietet Gelegenheit, ein politisch hochrelevantes Wahlkampfthema zu reflektieren

von Michael Groys  15.09.2021 10:39 Uhr

Im diesjährigen Bundestagswahlkampf gibt es kaum ein Thema, das die Gemüter so erregt wie die Wohnungs- und Mietenpolitik. Die politischen Vorschläge gehen von einem bundesweiten Mietendeckel über kostengünstiges Bauen bis hin zu klimagerechtem und ökologischem Stadtumbau. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte dieses Themenfeld gar so beschrieben: »Wohnungsfrage – die soziale Frage unserer Zeit«.

Derweilen hat das Judentum sich schon seit der Antike mit der Frage auseinandergesetzt, was es bedeutet, ein Dach über dem Kopf zu haben. Das Laubhüttenfest Sukkot, das sieben Tage lang im Herbst gefeiert wird, erinnert an die Wüstenwanderung ins Gelobte Land und die provisorischen Wohnstätten (Sukkot), in denen unsere Vorfahren gelebt haben.

TREND Die jüdische Religion wählt sehr bewusst ausgerechnet diese zumeist kältere und nasse Jahreszeit aus. Zum einen soll das Gefühl, keinen festen Wohnsitz zu haben – wie die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten – besser vermittelt, zum anderen soll man dennoch in seinem Glauben bekräftigt werden.

In Deutschland gibt es heute bis zu einer Million wohnungslose Menschen. Dies bedeutet, dass sie nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Rund 50.000 Menschen sind gar obdachlos und leben auf der Straße. In der deutschen Bevölkerung werden Obdach- und Wohnungslosigkeit meist rund um Weihnachten diskutiert.

Das Privileg eines gesicherten und privaten Wohnraums haben selbst im vermögenden Deutschland nicht alle, darunter viele jüdische Zuwanderer.

Das Judentum setzt mit Sukkot schon im Herbst den Trend, sich damit auseinanderzusetzen. Die Mietpreise steigen in den deutschen Städten kontinuierlich an, sodass der Staat in großen Städten mittlerweile mit Instrumenten wie der Mietpreisbremse und der Einführung eines verbindlichen Mietspiegels reagiert. In Berlin werden auch Milieuschutzgebiete ausgewiesen, um Bestandsmieter abzusichern.

ALTERSARMUT Das Privileg eines gesicherten und privaten Wohnraums haben selbst im vermögenden Deutschland nicht alle. Unter vielen jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion herrscht heute Altersarmut. Viele sind auf staatliche Hilfen angewiesen – ebenso wie auf Unterstützung beim Wohnen. Oft sind diese Wohnungen nicht behindertengerecht und in schlechtem Zustand.

Demnach ist Sukkot für Juden hierzulande sowohl ein politisches als auch ein zeitgenössisches Fest. Im Vordergrund stehen aber der Gedanke der Befreiung aus dem Exil, die Reinigung von Sünden und die Nähe zu Gott. Politisch interpretiert heißt das, dass auch die schwerste Lage endlich – und vor allem lösbar ist.

Der Autor ist politischer Berater in Berlin.

Meinung

Embargo gegen Israel: Merz´ gefährliche Botschaft

Die Bundesregierung hat ein Exportverbot für Waffen an Israel verhängt und sendet damit fatale Signale: An Israel, an die Hamas und deren Unterstützer - und an die Juden in Deutschland

von Remko Leemhuis  22.08.2025

Meinung

Verbaute Perspektive

Minister Bezalel Smotrich hat Siedlungspläne genehmigt, die das Westjordanland teilen würden. Auch für Israelis ist das keine gute Nachricht

von Mascha Malburg  22.08.2025

Meinung

Israels Kräfte sind endlich

Der Rückzug aus Gaza 2005 führte zum Krieg gegen die Hamas. Rafael Seligmann fordert, den Konflikt endlich politisch zu lösen

von Rafael Seligmann  21.08.2025

Meinung

Für Juden in Frankreich ist das Spiel aus

Präsident Emmanuel Macrons antiisraelische Politik macht ihn zum Verbündeten der Islamisten und deren linken Mitläufern. Für Juden wird das Leben währenddessen immer unerträglicher

von Haïm Musicant  20.08.2025

Meinung

Diktatfrieden abgewendet?

Das Treffen zwischen Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und europäischen Spitzenpolitikern lief besser als erwartet. Doch es ist fraglich, wie lange die Erleichterung anhält

von Nils Kottmann  19.08.2025

Meinung

Rechtsextreme nicht gewähren lassen

Die AfD muss spüren: Wir sehen euch, wir widersprechen – und wir werden euch nicht gewähren lassen

von Tanya Yael Raab  15.08.2025

Einspruch

Wird Alaska das neue München?

Marieluise Beck warnt davor, dass die Verhandlungen zwischen Trump und Putin das Ende eines freien Europas einläuten könnten

von Marieluise Beck  13.08.2025

Debatte

Terrorist mit Presse-Weste

Anas al-Sharif war kein unschuldiger Journalist, sondern Terrorist der Hamas. Ein Kommentar von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  12.08.2025

Debatte

Missbrauch der Sarajevo-Haggada für Hetze gegen Israel

Ein Kommentar von Rabbiner Pinchas Goldschmidt

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  11.08.2025