Micha Brumlik

Wir Juden als Trumps Nation?

Micha Brumlik Foto: dpa

Gut gemeint ist nicht immer gut. Zwar ist es durchaus aller Ehren wert, dass die US-Regierung eine »Executive Order« gegen Antisemitismus erlassen hat, stellen doch die Bürgerrechtsgesetze von 1964 Diskriminierungen an Bildungsanstalten aufgrund von »Rasse, Hautfarbe oder nationaler Herkunft« als Vergehen dar, wegen derer Washington staatliche Fördermittel streichen kann.

Das Weiße Haus will die an US-Universitäten verbreitete BDS-Bewegung dadurch bekämpfen, dass es das Judentum als »Race« beziehungsweise »Nation« definiert. Doch letztlich wird dies das Gegenteil bewirken: die Bekräftigung und Bestätigung antisemitischer Vorurteile.

HALACHA In dem Buch Jews and Words plädieren Amos Oz und Fania Oz-Salzberger dafür, das Judentum als »Kultur« zu verstehen. Sie gehen die üblichen Definitionen durch: »Volk«, »Religion«, »Konfession« und »Schicksalsgemeinschaft«, um zu dem Schluss zu kommen, dass es die Teilhabe an bestimmten, in sich durchaus verschiedenen Traditionen symbolischer Art ist, die Juden zu Juden macht. Gemäß der Halacha ist Jüdin oder Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum konvertiert ist.

Dass aber das Judentum eine »Nation« oder gar eine »Race« sei, trifft auch dann nicht zu, wenn man sich das nordamerikanische Englisch vergegenwärtigt: Unter »Race« wird dort vor allem die Hautfarbe verstanden. Sie zu schmähen, ist ebenso untersagt, wie es untersagt ist, Menschen ob ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder ihrer sozialen Stellung verächtlich zu machen.

Dass Juden keine identische Hautfarbe aufweisen, dürfte spätestens seit den Falaschmura bekannt sein.

Dass Juden keine identische Hautfarbe aufweisen, dürfte spätestens seit den Falaschmura bekannt sein. Aber sind sie wenigstens eine »Nation«? In Nordamerika gelten die Ureinwohner als »First Nations«. Aber auch die großen jüdischen Organisationen in den USA sprechen nicht von »Nation«: Der American Jewish Congress etwa setzt sich für »Israel and the Jewish people« ein – »Volk«, nicht »Nation«.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die politische Begriffsbestimmung als – man entschuldige den drastischen Ausdruck – Rohrkrepierer. Wird sie doch Antisemiten aller Art darin bekräftigen, nicht mehr nur zu denken, was sie schon immer gedacht haben.

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und Publizist in Berlin.

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025