Meinung

Wir erleben eine Zäsur

Ayala Goldmann ist Redakteurin der Jüdischen Allgemeinen. Foto: Uwe Steinert

Oy vey, Gewalt! Angesichts des Proteststurms könnte man annehmen, die Meinungs- und Kunstfreiheit werde diese Woche abgeschafft. Doch das Problem von Amnesty International Deutschland, Medico International, Luisa Neubauer, Naika Foroutan und Eva Menasse war etwas ganz anderes: nämlich die Resolution zum Schutz jüdischen Lebens, die vor dem 9. November – dem Jahrestag der Novemberpogrome 1938 – im Bundestag verabschiedet werden soll. Eine Resolution, die rechtlich nicht bindend ist, so wie der Beschluss des Parlaments von 2019 gegen die Israel-Boykott-Bewegung BDS.

Wir erleben eine Zäsur. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis die Resolution abstimmungsreif wurde. Stein des Anstoßes der »zivilgesellschaftlichen Initiative« scheint jetzt insbesondere eine Passage des Resolutionsentwurfs, die ein Problem beim Namen nennt: »In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.«

Amnesty beklagt, »diskriminierte Bevölkerungsgruppen« würden gegeneinander ausgespielt, und blendet aus, dass die Resolution gegen Antisemitismus – deren Entwurf die Zweistaatenlösung ausdrücklich erwähnt – einen konkreten Anlass hatte: das Pogrom in Israel vom 7. Oktober 2023 und als Folge die Explosion antisemitischer Gewalt gegen Juden weltweit. Es geht nicht nur um »Diskriminierung«. Es geht um Terror, Einschüchterung und Bedrohung.

Im Deutschland von 2024 ist es also nicht mehr selbstverständlich, dass sich das Parlament nach einem Pogrom in einer Resolution zu unserem Schutz bekennt. Wie wird es 2034 sein? Werden sich Jüdinnen und Juden, heute eine Minderheit von 100.000 bis 150.000 Menschen, noch sicher fühlen?

»Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« lautet der Name der so hart umkämpften Resolution. Vielleicht ist es nicht die letzte. Vielleicht ist es die vorletzte.

goldmann@juedische-allgemeine.de

Archäologie

Vorform der Landwirtschaft: Steinsicheln für die Getreideernte

Funde aus einer Höhle in Zentralasien stellen Annahmen zur Entstehung der Landwirtschaft infrage. Offenbar liegen deren Ursprünge nicht nur in der Region Vorderasien, die auch das heutige Israel umfasst

von Walter Willems  26.08.2025

Digital

Initiative von Heidelberger Hochschule: Neuer Podcast zum Judentum

»Jüdische Studien Heute« als Podcast: Das neue Angebot der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg will alle zwei Wochen Forschungsthemen aufgreifen und Einblicke in die jüdische Lebenswelt bieten

von Norbert Demuth  26.08.2025

Cerro Pachón

Vera Rubin Observatory startet wissenschaftliche Mission  

Die nach einer jüdischen Wissenschaftlerin benannte Sternwarte auf einem Berg in Chile läutet eine neue Ära der Astronomie ein

von Imanuel Marcus  26.08.2025

Zahl der Woche

1902

Fun Facts und Wissenswertes

 26.08.2025

TV-Tipp

»Barbie« als TV-Premiere bei RTL: Komödie um die legendäre Puppe

Im ersten Realfilm der 1959 von Ruth Handler erfundenen Puppe ist Barbieland eine vor Künstlichkeit nur so strotzende Fantasie

von Michael Kienzl  26.08.2025

Nominierungen

Grimme Online Award: Nahost-Konflikt und deutsche Geschichte im Fokus

In den vier Kategorien kann die Jury des Grimme Online Awards aus den 25 Nominierten bis zu acht Preisträger auswählen

 26.08.2025

Berlin

Götz Aly: Kaum Parallelen zwischen 1933 und heute

Wie konnten die Deutschen den Nazis verfallen und beispiellose Verbrechen begehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Historiker in seinem neuen Buch. Erkennt er Parallelen zu heute?

von Christoph Driessen  26.08.2025

Oberammergau

»Judenfreund«: Regisseur Stückl beklagt Anfeindungen

Christian Stückl leitet die berühmten Passionsspiele in Oberbayern. Lange wurde er dafür gewürdigt, das Werk von judenfeindlichen Passagen befreit zu haben. Nun dreht sich der Wind

 25.08.2025

Kritik

Ukraine verurteilt Auftritt Woody Allens bei Moskauer Filmwoche

US-Filmregisseur Woody Allen lässt sich per Video beim Moskauer Filmfestival zuschalten. In der von Russland angegriffenen Ukraine sieht man den Auftritt alles andere als gern - und reagiert prompt

 25.08.2025