Meinung

Wenn sich Studenten zu einem Todeskult bekennen

Klemens Elias Braun studiert an der Universität der Künste Berlin

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Wenn sich Studenten zu einem Todeskult bekennen

Am zweiten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel beteiligt sich die »Student Coalition Berlin« an einer Kundgebung zur Feier der Massaker. Die Radikalisierung vieler studentischer Gruppen sollte die Universitäten alarmieren

von Klemens Elias Braun  06.10.2025 11:58 Uhr

Zwei Jahre sind seit dem 7. Oktober 2023 vergangen – eine Zeit, die für Israelis und Palästinenser von Trauer, Verlust, aber auch Wut und Hoffnung geprägt war. Diese zwei Jahre haben auch hierzulande zu einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung geführt, in der Trennendes über Einendes und Radikales über Moderates triumphiert. Besonders an Hochschulen scheinen die Hürden für eine Verständigung hoch zu sein. So berichten vor allem jüdische, israelische und antisemitismuskritische Studierende von verbalen und körperlichen Angriffen, antisemitischen Schmierereien und anti-israelischen Lehrveranstaltungen.

Wer die Radikalisierung im vermeintlich »propalästinensischen« studentischen Milieu bezweifelt oder wem die zahlreichen dokumentierten antisemitischen Vorfälle auf studentischen Protestveranstaltungen nicht ausreichen, dem sei ein Blick auf die einschlägigen Social-Media-Accounts empfohlen. Dort fallen inmitten hetzerischer Posts insbesondere die Inhalte auf, die anlässlich der Jahrestage des 7. Oktober geteilt werden.

So veröffentlichte 2024 ein deutschlandweites Bündnis aus 26 studentischen Initiativen unter dem Namen »Students for Palestine Germany« ein verstörendes Statement. Dort erklärte man, illustriert mit einem Foto des Hamas-Überfalls, man stehe »an der Seite des heldenhaften Widerstandes des palästinensischen Volkes« und lehne »paternalistische« Forderungen nach Gewaltlosigkeit ab. Die Massenvergewaltigungen, begangen von Hamas-Mitgliedern, wurden als »abscheuliche Falschinformation« bezeichnet.

Demonstrationsaufruf der »Student Coalition Berlin« (Quelle: Instagram)

Und in diesem Jahr hat die »Student Coalition Berlin«, ein Zusammenschluss von rund einem Dutzend studentischer Gruppen, die an zahlreichen Hochschulbesetzungen beteiligt waren, gemeinsam mit anderen, teils vom Verfassungsschutz beobachteten und als gewaltorientiert eingestuften Organisationen zu einer Kundgebung anlässlich des 7. Oktobers aufgerufen.

Die Massaker vom 7. Oktober werden in der Ankündigung als »heldenhafter Ausbruch« aus einem »Gefängnis« beschrieben, der gezeigt hätte, »dass es möglich ist, die ›allmächtige‹ zionistische Entität zu besiegen«. Der Terror der Hamas wird als »Leuchtfeuer der revolutionären Hoffnung für alle antiimperialistischen und antikolonialistischen Kämpfe« gedeutet. »Wir entschuldigen uns nicht für ihren Widerstand.« Zum Schluss der Aufruf: »Bis zur vollständigen Befreiung. Lasst uns am 7. Oktober die Straßen Berlins fluten!« Geziert wird der Beitrag mit Bildern von Paraglidern derselben Art, die die Hamas für ihren Angriff genutzt hat.

Universitäten und gesellschaftliche Institutionen stehen in der Verantwortung, klare rote Linien zu ziehen.

Die Studenten und ihre willfährigen Gefährten glorifizieren und rechtfertigen hier Terror, Mord und barbarische Vergewaltigungen. Während derzeit ein Großteil der Welt auf einen baldigen Frieden für Gaza sowie eine friedliche Zukunft von Israelis und Palästinensern hofft, wird die Zerstörung Israels gefordert. Erschütternd ist auch die fehlende Empathie für die Zivilbevölkerung in Gaza: Kein Wort der Trauer, kein Wort der Hoffnung auf Frieden und Versöhnung. Im Gegenteil, die Opfer in Gaza werden als notwendig erachtet. Zynischer, menschenverachtender kann man seine Anhängerschaft zu einem Todeskult nicht bekennen.

Diese Radikalisierung darf nicht beschönigt werden. Sie stellt eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben und die akademische Integrität dar. Universitäten und gesellschaftliche Institutionen stehen in der Verantwortung, klare rote Linien zu ziehen: Antisemitismus – ob israelbezogen oder nicht – und die Glorifizierung von Terror und Vergewaltigung sind keine akzeptablen Formen des politischen Protests. Die akademische Freiheit endet dort, wo die Menschenwürde verletzt wird.

Die Antwort der Mehrheit darf aber nicht in einem Rückzug in die eigenen Lager bestehen. Lücken für moderaten, empathischen Dialog müssen aktiv geöffnet und verteidigt werden. Versöhnung beginnt nicht in der Einheit der Meinungen – sondern in der geteilten Ablehnung von Gewalt.

Der Autor studiert an der Universität der Künste Berlin und ist Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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