Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Der Palästinenser Haitham Salem kam aus israelischer Haft frei Foto: picture alliance / SIPA

Israel hat für die Freilassung der 20 noch lebenden Geiseln und die Rückgabe der Leichen der getöteten einen hohen Preis gezahlt. Rund 2000 in Israel inhaftierte Palästinenser mussten dafür freigelassen werden. Die Parallelen zum Fall Gilad Shalit im Jahr 2011, bei der unter anderem Yahya Sinwar freikam, der später Hamas-Chef in Gaza und Architekt des 7. Oktober 2023, sind nicht zu übersehen.

Auch diesmal entlässt Israel Menschen aus der Haft, die für zahlreiche zivile Opfer verantwortlich sind. Viele von ihnen wurden von israelischen Gerichten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Eine detaillierte Aufstellung einiger Fälle findet sich in einer Recherche von »Belaaz News«.

Was Israelis und viele Menschen weltweit aber zu Recht wütend macht, ist nicht nur der Preis des Abkommens, den Israel zu entrichten hat. Es ist auch die Art und Weise, wie in westlichen Medien darüber gesprochen wird. Statt von einer Freilassung verurteilter Mörder und Terroristen ist da manchmal von einem »Geiselaustausch« die Rede. Damit wird eine moralische Gleichwertigkeit suggeriert, wo es keine gab. Denn Israel hat keine Geiseln genommen.

Nur ein Versprecher?

Im ZDF fiel Moderatorin Dunja Hayali damit auf, wie sie im »Morgenmagazin« die von Israel Freigelassenen mehrfach als »ganz normale Palästinenser« bezeichnete und von »palästinensischen Geiseln« sprach. Auch wenn möglicherweise tatsächlich auch »ganz normale« Palästinenser dabei waren, war dennoch im Kontext der Aussagen klar, dass Hayali auch Personen meinte, die wegen Mordes oder Beteiligung an Terroranschlägen verurteilt worden waren. Später entschuldigte sich die ZDF-Journalistin und nannte ihre Aussagen einen »Versprecher«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Das zur Illustration dieses Artikels verwendete Foto findet sich in der Bilddatenbank der Deutschen Presse-Agentur. In der englischen Bildunterschrift ist von einem »Gefangenenaustausch zwischen Israel und Hamas« die Rede. Ganz so, als habe es sich bei den entführten Israelis um ganz normale Gefangene gehandelt.

Auch CNN-Moderatorin Christiane Amanpour fiel einmal mehr mit unrühmlichen Worten auf. Sie behauptete in ihrer Sendung, die Hamas habe ihre Geiseln »besser behandelt« als Israel seine palästinensischen Gefangenen. Amanpour entschuldigte sich später öffentlich auf X. Doch der Schaden war längst eingetreten.

Andere Medien tun sich ebenfalls schwer mit einer korrekten Einordnung. Die »New York Times« schrieb zwar von »2000 released prisoners and detainees«, behauptete aber, nur etwa 250 von ihnen seien Terroristen gewesen und der Rest ja nie angeklagt worden. CNN berichtete, 2000 Palästinenser seien aus israelischen Gefängnissen entlassen worden, rund 1700 von ihnen seien »ohne Anklage« festgehalten worden. Die wichtigste Nachrichtenagentur der Welt, die »Associated Press«, verbreitete Ähnliches.

Doch handelt es sich bei den 1700 tatsächlich um willkürlich inhaftierte Zivilisten, wie diese Berichte nahelegen? Die israelische NGO B’Tselem – gewiss keine regierungsnahe Quelle – kritisiert auf ihrer Webseite zwar die sogenannte »Verwaltungshaft« (Administrative Detention), weil die Verfahren geheim sind.

Schlampiger Journalismus oder Voreingenommenheit?

Aber auch B’Tselem beschreibt korrekt, dass Personen, die sich in israelischer Verwaltungshaft befinden, innerhalb von acht Tagen einem Militärrichter vorgeführt werden müssen, der über die Fortdauer der Haft entscheiden muss. Sowohl der Häftling als auch der Militärkommandant können beim Militärberufungsgericht und anschließend beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen. Juristisch gesehen handelte es sich also nicht um »willkürliche Haft«, sondern um Verfahren, die auch einer gewissen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

Die Art und Weise, wie internationale Medien dennoch die Wahrheit verzerren oder verkürzen, sagt viel über den Zustand der Nahost-Berichterstattung aus. Bestenfalls ist das schlampiger Journalismus, schlimmstenfalls aber Ausdruck einer tief sitzenden Voreingenommenheit gegenüber Israel.

Die Erzählung vom »Geiselaustausch« ist mehr als nur ungenau. Sie ist ein Beispiel dafür, wie mit Worten die Wirklichkeit verzerrt wird und wie journalistische Maßstäbe missachtet werden, um ein bestimmtes Narrativ voranzutreiben. Ob das vorsätzlich oder versehentlich geschieht, spielt am Ende keine Rolle.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025